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Filmkritik
Eine evangelische Jugendgruppe aus dem Harz, die einen Spielfilm drehen möchte, bildet den Ausgangspunkt des Jugendabenteuerstreifens „Fisch im Fell“. Und das in doppelter Hinsicht: in Wirklichkeit und im Film selbst. Darin haben die Jugendlichen bei einem Frühjahrsfest 1200 Euro gesammelt und planen jetzt, mit dem Geld einen Film zu drehen. Nur worüber, wissen sie noch nicht so recht. Science-Fiction-Thriller? Piratenfilm? Rap-Video? Kein Klischee, das sich nicht mit einem Augenzwinkern verwerten ließe ...
In Wirklichkeit war das offenbar recht ähnlich und doch auch ziemlich anders. Nachdem die Propsteijugend Bad Harzburg bereits 2017 ein erstes Filmprojekt umgesetzt hatte, realisierte sie mit „Fisch im Fell“ unter der Leitung von Landesjugendpfarrer Martin Widiger und Diakon Michael Marintschak als Produzenten sowie mit der professionellen Unterstützung von Drehbuchautor Christian Pasquariello und Regisseur Daniel Schmidt alias Dean Benzin ihren ersten Spielfilm. Neben den gecasteten Jugendlichen, die zum ersten Mal für eine Kinoproduktion vor der Kamera standen, konnten mit Frederick Lau, Emanuel Fellmer und Dieter Hallervorden auch einige namhafte Schauspieler für Nebenrollen und kurze Gastauftritte gewonnen werden. Das unter anderem von der Landeskirche Braunschweig bereitgestellte Budget bewegte sich immerhin im sechsstelligen Bereich.
Die eigentliche Handlung als Film-im-Film
Vielleicht liegt es an dieser Diskrepanz zwischen realen und fiktiven Finanzmitteln, dass die paritätisch aus drei Jungen und drei Mädchen zusammengesetzte Jugendgruppe im Film nicht über ein erstes rudimentäres Drehbuch hinauskommt und die eigentliche Handlung daher als Film-im-Film ausschließlich in der Fantasie der Teenager stattfindet. Die Heranwachsenden im zartwilden Alter von 14 bis 17 Jahren sitzen in ihrem „Absteige“ getauften Jugendtreff, einer abgelegenen kleinen Hütte, rauchen Wasserpfeife und brainstormen über einen Plot, in dem jede und jeder auf die Kosten kommt.
Die Handlung, auf die sich schließlich alle einigen können, beginnt damit, dass der Treff aus unerfindlichen Gründen abbrennt und die Jugendlichen in den Trümmern eine Metallbox mit alten Fotos und geheimnisvollen Koordinaten von einem Ort in den Südtiroler Bergen finden. Kurzentschlossen machen sie sich auf den Weg dorthin, und auch, dass Theo im Rollstuhl sitzt, hält sie nicht auf. Sie buchen eine rollstuhlgerechte Tour, die ganz in der Nähe der mit den Koordinaten markierten Stelle vorbeiführt.
Diese Metascriptkonstruktion mit einer realistischen Rahmen- und einer imaginären Binnenhandlung erlaubt es dem Filmteam, die Grenzen zwischen Fantasie und Realität, Wunsch und Erfüllung, einem Wunder und dem Glauben daran nach Belieben zu verschieben und zu verwischen. Da kann dann Theo schonmal in seinem Rollstuhl einen Berghang runterjagen, um einen bedrohlichen Braunbären „wegzurammen“. Und praktischerweise lässt sich damit auch noch jede vermeintliche Drehbuchschwäche, die Spur zu viel Pathos hier, das Allzu-weit-Hergeholte dort, prima rechtfertigen.
Blassbunte Stereotypen
Allerdings ändert das nichts daran, dass die Identifikation mit den sorgfältig zusammengestellten Charakteren darunter leidet. Die vaterlose Lydia auf der Suche nach ihrer Herkunft, der gelähmte Theo, dem eine Perspektive fehlt, die Influencerin Johanna, die nur noch mit Posh angesprochen werden möchte und auf der Jagd nach Followern das echte Leben aus dem Blick verliert, der schwule Luca, der auf den richtigen Moment für sein Coming-Out wartet, und die junge nichtbinäre Berliner Punker-Person Ninja, die unterwegs zur Gruppe dazustößt und ihre Verletzlichkeit hinter einer provokanten Attitüde verbirgt: sie alle verharren in blassbunten Stereotypen.
Dabei ist das Szenario nicht uninteressant, und eine Gruppe junger, moderner Christinnen und Christen gibt ein für den deutschen Film reizvoll ungewöhnliches Ensemble ab. Die stilsicher und angemessen eindrucksvoll fotografierten Alpen liefern eine magische Kulisse. Der lässig hämmernde urbane Soundtrack sorgt für atmosphärische Kontrapunkte. Und wahrscheinlich klängen auch die Dialoge einigermaßen authentisch, wenn die fraglos talentierten, aber noch reichlich ungeübten jungen Laiendarstellenden sie nicht gar so hölzern aufsagen würden.
Die Kernschwäche dieses überaus ambitionierten, mutigen, durchaus charmanten und zeitweise unterhaltsam-witzigen Projekts aber ist, dass ihm eine tragfähige Geschichte fehlt. Statt eine Handlung aus sich selbst heraus sich entfalten zu lassen, überfrachten die Filmemachenden ihren kargen Plot mit gutgemeinten, lebens- und diversitätsbejahenden Botschaften, die wahrscheinlich gerade deshalb nur bei den wenigsten ankommen.