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Filmplakat von First Cow

First Cow

122 min | Drama, Western | FSK 6
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Ein schweigsamer Einzelgänger und erfahrener Koch reist nach Westen und schließt sich einer Gruppe von Pelzfängern im Oregon-Territorium an, wobei er eine echte Verbindung nur zu einem chinesischen Einwanderer aufbauen kann, der ebenfalls sein Glück sucht. Schon bald arbeiten die beiden an einer erfolgreichen Geschäftsidee, obwohl deren Langlebigkeit von der heimlichen Teilnahme der geschätzten Milchkuh eines nahe gelegenen reichen Landbesitzers abhängt...

Vorstellungen

cine k Oldenburg
cine k Oldenburg
Bahnhofstraße 11
26122 Oldenburg

Filmkritik

Der Wilde Westen ist ein mythologischer Ort, besiedelt von harten Kerlen und regiert vom Gesetz des Stärkeren. Jeder ist sich hier selbst der Nächste, für Zuneigung oder gar Freundschaft bleibt nur wenig Platz. Diese Leerstelle beleuchtet die amerikanische Filmemacherin Kelly Reichardt in ihrem feinfühligen Neo-Western „First Cow“. Sie stellt ihm eine Zeile aus William Blakes „Sprichwörter der Hölle“ voran: „Dem Vogel ein Nest, der Spinne ein Netz, dem Menschen Freundschaft“ – und macht den Film damit zu einer kleinen zoologischen Studie, wenn man so will, und zugleich zu einer Untersuchung der Mechanismen des immer weiter als Meta-Kommentar über den USA hängenden Western-Genres.

Reichardt begleitet den sanften Cookie (John Magaro), der in den 1820er-Jahren als Koch für eine Gruppe Trapper arbeitet und mit diesen durch den Wilden Westen Oregons zieht. Das raue Leben ist ihm zuwider, er würde die Colts sofort gegen Kuchen tauschen: Er träumt von einer eigenen Bäckerei. Beim Pilzesammeln entdeckt er eines Tages einen nackten Mann im Wald (Orion Lee), der auf der Flucht vor russischen Pelzjägern ist. Er hat einen ihrer Kollegen in Notwehr getötet. Cookie hilft dem Mann, der sich King Lu nennt und aus China stammt. Zum Dank lädt dieser ihn beim nächsten Treffen im nahe gelegenen Handelsposten zum Trinken ein, und die beiden Außenseiter besiegeln ihre Freundschaft – und somit auch nichts weniger als den gemeinsamen Widerstand gegen den amerikanischen Gründungsmythos, den Western so oft transportieren: das Männlichkeitsideal der weißen Westerner, die gewalttätige Verdrängung der indigenen Stämme, die Heldenikonografie der Landübernahme.

Zwei unwiderstehliche (Anti-)Helden

„First Cow“ ist sicherlich nicht der erste Neo-Western, der sich mit den Schattenseiten dieses Narrativs auseinandersetzt und Anti-Helden ins Zentrum rückt, doch entziehen sich Reichardts Protagonisten diesem Narrativ so konsequent wie nur wenige Westerner vor ihnen: Nur zum Selbstschutz sind sie bereit, sich mit den Gepflogenheiten der Trapper und schießwütigen Raubeine anzufreunden. In dieser Hinsicht ist „First Cow“ ein zutiefst feministischer Film, zudem niemals belehrend, sondern einfühlsam hinterfragend, wie es wohl all jenen Seelen im Wilden Westen ergangen sein mag, die sich nicht in die Rolle der Revolver wirbelnden Eroberer einfinden konnten oder wollten – also all jenen, die in der Mythenschreibung im besten Falle als Kollateralschaden vorkommen.

Es sind nicht Heldentaten, die die beiden Männer zum Erfolg führen, sondern eine gewitzte List – und damit stellen sie dem Gesetz des Stärkeren das Prinzip der Schläue und der Solidarität entgegen: Ihnen gelingt es, der ersten und einzigen Kuh des Landstrichs, also einem kaum schätzbaren Schatz, Milch abzuzapfen und damit die besten Kuchen weit und breit zu backen. Cookies Kuchenimperium kann natürlich nicht von langer Dauer sein, doch die diebische Freude dieser beiden Kumpels lässt die Zeit kurz stillstehen. Der Eigentümer der Kuh (Toby Jones) ist ein Großgrundbesitzer und selbsternannter Regent der Region, sein Name so beeindruckend wie sein Ruf: Chief Factor. Er ist ihnen auf der Spur – und ironischerweise großer Liebhaber der feinen Backwaren. Die rauen Gepflogenheiten der Kolonialisten, die sich selbst vielmehr als Pioniere sehen, treffen hier bedenkenlos auf distinguierte Nachmittagstee-Gepflogenheiten. Cookie und King Lu sind aus dieser Perspektive Grenzgänger zwischen den Welten und in ihrem tragikomischen Slapstick Botschafter einer alternativen Zukunft, die auch heute noch nicht zur Gänze eingetreten ist. Kelly Reichardts Gespür für leise Komik und ehrliche Emotionen machen dieses Schelmenstück zugleich zu einer einfühlsamen Studie von Freundschaft und zu einer Demontage eingeschliffener Geschichtsschreibung.

Die beflügelnde Durchschlagskraft von Kooperation und Integration

So wird „First Cow“ auch zu einem „Companion Piece“ von Jim Jarmuschs Film „Dead Man“, in dem ein Indigener einem zum Mörder gewordenen Sekretär auf der Flucht vor dem Sheriff hilft. Dass dieser Sekretär William Blake heißt und im Fiebertraum psychedelische Verse aus der Feder seines Namensvetters faselt, ist nur eine der offensichtlichen Verbindungen zu Kelly Reichardts Freundes-Duo. Ebenso ist es sicherlich auch kein Zufall, dass Reichardt dem wunderbaren Gary Farmer, der damals den stoischen Nobody spielte, auch in „First Cow“ eine kleine Rolle zugedacht hat. Weniger lakonisch und schicksalsergeben, sondern optimistisch und offen für die Freundschaft, die hier entsteht, glaubt „First Cow“ jedoch an das Ankommen in sich selbst und die beflügelnde Durchschlagskraft von Kooperation und Integration. Damit gelingt es Reichardt, der so oft zuschnappenden Falle zu entgehen: Sie verklärt diese liebenswerte Gegenwelt im direkten Vergleich mit dem Mythos nicht, sondern sie lässt das kleine, humanistische „Was wäre wenn“ für sich stehen – und darin liegt die Größe dieses Films.

Erschienen auf filmdienst.deFirst CowVon: Sofia Glasl (31.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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