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Filmplakat von Fire of Love

Fire of Love

98 min | Dokumentarfilm
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Katia und Maurice Krafft liebten zwei Dinge - sich selbst und Vulkane. Zwei Jahrzehnte lang war das wagemutige französische Vulkanologenpaar auf der ganzen Welt unterwegs, um Ausbrüche zu verfolgen und ihre Entdeckungen zu dokumentieren. Schließlich verloren sie 1991 bei einer Vulkanexplosion ihr Leben und hinterließen ein Vermächtnis, das unser Wissen über die natürliche Welt für immer bereichert hat.

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Filmkritik

Das Glühen des Magmas, wenn das Sonnenlicht erlischt, strahlt etwas Mystisches aus. Von innen heraus scheint es freundlich rotorange zu leuchten, wie eine Laterne aus den archaischen Tiefen der Welt. Wenn der dickflüssige Brei aus der Erde strömt und immer neu aus den dunklen Schuppen des erkalteten Gesteins hervorquillt, dann scheint es, als müsse man ihm folgen.

Die Vulkanologen Katia und Maurice Krafft sind dieser Kraft gefolgt. Fast willenlos, wie Insekten, die nachts das Licht von Lampen umfliegen. „Wir haben nur das eine Leben“, sagt die Vulkanologin aus dem Elsass einmal, „und das will ich mit den Vulkanen verbringen.“

Die Vulkane, ihre Kinder

Regisseurin Sara Dosa porträtiert in "Fire of Love" das unscheinbare und doch so bemerkenswerte Forscher-Ehepaar. „Das ist Katia, und das ist Maurice“, heißt es lakonisch im Off-Kommentar. Man muss zwei Mal hinschauen, um die beiden Protagonisten zwischen all den Kollegen auf der Fotografie zu finden; Dosa hat sie deshalb vorsichtshalber mit zwei gelben Pfeilen markiert. Katia Krafft ist zierliche 1,63 Meter groß, gefällt sich in roter Strickmütze und zweckdienlicher Bauarbeiterkleidung. Ihr Markenzeichen ist eine kurze, struwwelige Frisur und eine viel zu groß erscheinende Oma-Brille, die sie seit den 1970er-Jahren trägt. Maurice Krafft ist 20 Zentimeter größer und von solider Statur, die durch seine Lockenpracht und ein durchdringendes Lachen fast karikiert wird. Ein wenig erinnert er an den französischen Schauspieler Bourvil: verschmitzt, aber unglaublich bestimmt und energisch.

Wenn Maurice Krafft sich etwas vorgenommen hat, dann kann es ihm niemand mehr ausreden. Seine Frau ist vielleicht die besonnenere von beiden, aber sicher nicht die vernünftigere. Wenn er an der Abbruchkante einer von der Lava zerstörten Straße filmt und sich forsch bis zum Abgrund vorarbeitet, hält sie ihn fest, wohl wissend, dass sie mit ihm in die Lava hinunterstürzen könnte.

Seit die beiden sich 1966 kennengelernt haben, teilen sie eine große Leidenschaft für Vulkane. Von 1970 an bereiste das Ehepaar mehr als 300 Vulkane und kam ihnen näher als sonst irgendjemand anderer. Es sind „ihre“ Vulkane, sozusagen ihre Kinder. Die Kraffts haben ihnen Charaktereigenschaften zugewiesen, und der Film gibt ihnen im Vorspann mit Credits die Ehre, so als seien sie Akteure: „Also starring: Mauna Loa, Nyiragongo, Krafla, Mount St. Helens, Pion de la Fournaise, Una Una and many more”.

Man erwartet dann förmlich, dass sie für die Kamera pusten, protzen, posieren und tragende Rollen übernehmen. Und das tun die Vulkane in der Tat: Nie zuvor hat man die Feuerschlünde derart „agieren“ gesehen, in einem eindrücklichen Film von zwei Menschen, die ihnen mit Haut und Harren verfallen sind – bis zu ihrem Tod. Das Ehepaar starb, wie der Film zu Beginn andeutet, beim Ausbruch des Unzen am 3. Juni 1991.

Gebannt und mit Gänsehaut

Das restaurierte und digitalisierte Archiv des Ehepaares hinterließ „viele hundert Stunden an Filmmaterial, tausende Fotos und Millionen Fragen“, wie die Regisseurin im Off notiert. Im Original spricht Miranda July die poetischen Kommentare; in der deutschen Fassung ist es die geheimnisvoll-sonore Stimme von Tanja Geke. Spätestens jetzt will man nicht mehr von der faszinierenden Geschichte zweier Wagemutiger und ihrer Abenteuer im Reich der Vulkane lassen. Gebannt und mit Gänsehaut!

Sara Dosa und ihre Cutter Erin Casper and Jocelyne Chaput haben sich ganz auf das von den Kraffts erstellte 16mm-Film- und Foto-Archiv verlassen. „Fire of Love“ ist durchgängig im 4:3-Bild-Format gehalten und besitzt eine Patina, aber auch jene restaurierte Brillanz der besten Bernhard Grzimek-Filme. Die fast schon überirdische 4K-Schärfe aktueller Naturdokumentationen weicht den warmen Farben des Zelluloids. „Fire of Love“ erhält so eine besonders intime Textur, eine eigentümliche Seele, die einen fast familiär werden lässt mit jenen, die in den Aufnahmen ihr Leben teilen. Manchmal sind es auch ganz alberne Szenen, die Dosa ausgesucht hat. Sie stehen einträchtig neben den konzentriert-analytischen Sequenzen. Die Regisseurin gibt damit unverhohlen preis, wie ratlos ob des kindlichen Tatendrangs der beiden Wissenschaftler sie selbst immer wieder ist.

Auf dem Lavastrom segeln

Auch Werner Herzog hat sich zur selben Zeit wie Dosa des Archivs von Katia von Maurice Krafft bedienen können und den Dokumentartfilm „Die innere Glut - Requiem für Katia und Maurice Krafft“ inszeniert. Im „falschen“ 16:9-Format und unter anderem mit der schweren Klassik von Gabriel Faurés Requiem unterlegt, macht er einen gewollt investigativen Krimi aus dem Leben und Sterben der Kraffts, mitunter untermauert durch fragwürdige persönliche Einschätzungen des Regisseurs, der selbst den Kommentar spricht, als würde er die gezeigten Bilder wie in einer Bildanalyse beschreiben. Herzogs Film könnte nicht weiter von „Fire of Love“ entfernt sein, der das Ehepaar gerade nicht als lebensmüde oder schaulustige „Lava-Jäger“ zeigt.

Katia und Maurice Krafft waren nicht lebensmüde, sondern vielmehr lebenshungrig. Immer auf der Suche nach dem, was das innere Gefüge ihrer monumentalen Leidenschaft zusammenhält. Todesmutig sind sie, weil sie ihren Frieden mit den „roten Vulkanen“ gemacht haben. Jenen „Gefährten“, die ihre Lavaflüsse wie auf Hawaii scheinbar berechenbar entspringen lassen und auf denen Maurice Krafft so gerne einmal mit einem Boot segeln wollte.

Die Roten und die Grauen

„Fire of Love“ ist keine unkritische Huldigung zweier Forscher, die man auf eine Ebene mit Bernharfd Grzimek oder Jacques-Yves Cousteau stellen könnte. Dosa gelingt vielmehr das Kunststück, das Rätselhafte und Zerrissene des Forschenden am Beispiel des Ehepaars Kraffts zu ergründen, die ihre Leidenschaft immer wieder mit der Wirklichkeit abgleichen mussten. Denn neben den „roten, guten Vulkanen“ gibt es ja auch noch die „grauen, bösen Vulkane“. Sie sind, wie der Nevado del Ruiz am 13. November 1985 in Kolumbien, für den Tod von Zehntausenden Menschen verantwortlich. Die Kraffts und andere Wissenschaftler hatten vor dem grauen Monster gewarnt, waren aber nicht gehört worden.

Durch die Dramaturgie, mit der Dosa das Material kompiliert, wird der heiter-skurrile Film über das Ehepaar Krafft und „ihre“ Vulkane zunehmend nachdenklicher und bitter, ohne allerdings den moralischen Zeigefinger zu heben. Immerhin bezahlte das Ehepaar seinen Lebenshunger am Unzen in Japan mit dem Leben. Dank der außergewöhnlichen Dokumentation von Sara Dosa bleiben nicht nur die schrecklich-wunderbaren Bilder, sondern auch deren Schöpfer in Erinnerung. Maurice Krafft: „Wie sagte Nietzsche noch, ‚Ein Narr ist jemand, der alles verloren hat, außer seinem Verstand!“

Erschienen auf filmdienst.deFire of LoveVon: Jörg Gerle (31.10.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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