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Filmkritik
Die Verwandlung von Sam (Nassim Lyes) zum Vorzeigehäftling ist fast vollendet. Doch als beim Kampfsporttraining eine Schlägerei ausbricht, ist an seinem kurzen Zucken zu merken, dass er dort eigentlich gerne mitmischen würde. Der schweigsame Hüne befindet sich an der Schwelle zwischen gewalttätiger Vergangenheit und einer neuen, geordneten Existenz. Angesichts seiner baldigen Entlassung führt sein Blick entschieden in die Zukunft. Statt seinem Aggressionstrieb nachzugeben, wahrt er die Kontrolle und hält sich aus der Schlägerei heraus.
Doch schon wenig später erweist sich die Freiheit in „Farang“ als erbitterter Überlebenskampf, der weiterhin harte Disziplin erfordert. Kameramann Gilles Porte entwirft dafür eine abweisende, von hartem Beton und kaltem Licht dominierte Welt, in der einem nichts geschenkt wird. Bei Sams neuem Job als Bauarbeiter springt die Kamera mit ihm regelrecht in eine dreckige Grube und entwirft ein höllisches Szenario aus Regen, Schlamm und knochenharter Arbeit.
Auch auf der Straße ist Sam nicht frei, weil ihm ständig die Handlanger eines Gangsters auf den Fersen sind. Der französische Regisseur Xavier Gens erzählt die Geschichte von einem, der anständig werden will, von seinem Umfeld aber beharrlich daran gehindert wird. Zum Wendepunkt kommt es, als Sam ein weiteres Mal von den Schergen verfolgt wird und in Notwehr einen der Männer in den Tod schubst.
Die Freiheit hat ihren Preis
Nach einem fünfjährigen Zeitsprung erfüllt ihn immer noch die Sehnsucht nach einem bürgerlichen Leben; diesmal jedoch am anderen Ende der Welt. Sam ist nach Thailand geflohen und hat sich dort mit seiner Frau Mia (Loryn Nounay) und der Adoptivtochter Dara (Chananticha Tang-Kwa) eine Familie aufgebaut. Zu ihrem Glück fehlt ihnen nur noch eine Strandbar, die sie gemeinsam betreiben wollen. Die idealisierten Bilder von lachenden Gesichtern und im Sonnenlicht funkelnder Postkartenidylle wirken zu schön, um wahr zu sein. Denn auch hier ist das Leben hart. Als Kickboxer und Page in einem Luxus-Hotel versucht Sam das dafür nötige Geld zusammenzukratzen. Und weil es immer noch nicht reicht, kommt es zu einer schicksalshaften Begegnung mit dem französischen Drogenbaron Narong (Olivier Gourmet).
Der thailändische Begriff „Farang“ bezeichnet einen westlichen Ausländer und beschreibt damit auch metaphorisch den Protagonisten, der dazu verdammt ist, Einzelgänger und Außenseiter zu bleiben. In den breiten, räumlich tiefen Bildern wirkt Sam immer ein wenig verloren und bleibt doch stets das emotionale Zentrum. Man blickt mit den Augen des Protagonisten auf die Welt; wenn er Hoffnung hat, glänzt alles in schönen Farben, wenn er ängstlich oder wütend ist, wechselt auch die Inszenierung in diesen Modus. Als Sam Drogen schmuggeln soll, sieht man seine Aufregung aus nächster Nähe, während die Spannung durch Zeitlupe gedehnt wird und der Soundtrack bedrohlich röhrt.
Hemmungslos rohe Kampfszenen
Solche sinnlichen, stilisierten und actionreichen Momente liegen „Farang“ mehr als der eher schematische Thriller-Plot, der mit einigen arg klischeehaften Figuren wie Sams gleichermaßen weisem und kampferprobtem Trainer (Vithaya Pansringarm) aufwartet. Nachdem Narong Mia getötet und Dara entführt hat, begibt sich Sam auf einen kaltblütigen Rachefeldzug. Auch der Hauptdarsteller und professionelle Mixed-Martial-Arts-Kämpfer Nassim Lyes besticht vor allem durch seine imposante körperliche Präsenz; in den oft pflichtschuldig abgehakten Dialogszenen wirkt er blasser. Vermutlich hätte es dem Film gutgetan, wenn die Inszenierung mehr Minimalismus gewagt und damit auf ihre Stärken vertraut hätte. So wird der rauschhaft-dynamische Sog des Films gegen Ende von einigen ungelenk eingebrachten Intrigen ausgebremst.
Bei dem ganz auf den Protagonisten und seinen wendigen Körper zugeschnittenen Film wirkt es folgerichtig, dass „Farang“ auch körperlich eskaliert. All die zerstörerische Kraft, die Sam zuvor unterdrückt hat, bricht nun ungehemmt heraus. Als Kampfmaschine, die jeden Widersacher vernichtet, treibt es ihn auf der Suche nach seiner Tochter durch Luxusvillen, Bordelle und Vergnügungsviertel. Die hemmungslosen Kampfszenen sind roh, unmittelbar und brutal. Knochen werden gebrochen, Gliedmaßen verschoben und Fleischwunden gerissen. Seiner harten Underdog-Geschichte bleibt der Film gerade dadurch treu, dass er dem Publikum nicht mit eleganten Choreografien die Möglichkeit gibt, sich von der Gewalt zu distanzieren.