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Filmkritik
Ein unscheinbares Gesangstalent bricht mit dem einstigen Leben, um dem Traum zu folgen, Opernsängerin/Opernsänger zu werden. Alles schon mal passiert? Klar! Paul Potts oder Susan Boyle haben dank der Castingshow „Britain’s Got Talent“ 2007 und 2009 das geschafft, was Millie Cantwell in „Verrückt nach Figaro“ noch schaffen will. Und das ist nicht so sehr, berühmt zu werden, als vielmehr ihrem Herzen eine Stimme zu geben.
Millie Cantwell (Danielle Macdonald) ist von Erfolg beseelt. Als Fondsmanagerin ist sie der bewunderte Star in ihrer Firma. Sie verdient gut und hat mit Charlie (Shazad Latif) einen Traummann, der nicht nur unterstützender Kollege, sondern sogar treusorgender Ehemann sein würde, wenn sie denn nur wollte. Wäre da nur nicht diese gewisse chronische Ignoranz ihrem „Hobby“ gegenüber. Während Millie in der Oper regelmäßig mit den Tränen der Ergriffenheit ringt, nickt Charlie an ihrer Schulter genauso regelmäßig ein. Der Paukenschlag folgt auf dem Fuße: Trotz aller Lobeshymnen ihres Chefs nimmt sie nicht den vorbestimmten nächsten Schritt der Karriereleiter, sondern eine Auszeit. Für ein ganzes Jahr will sie ihrer wahren Bestimmung folgen und das praktizieren, was ihr Innerstes in Wallungen bringt: Oper!
Zur Diva in den Highlands
Doch Millie ist selbstreflexiv genug, um zu erkennen, dass sie zwar singen kann, aber nie etwa in dem renommierten Gesangswettbewerb „Singer of Renown“ bestehen könnte. Daher verlässt sie temporär ihren Lebensabschnittspartner und den gemeinsamen opulenten Londoner Luxus-Loft, um in Drumbuchan ihr Glück zu suchen. Das Kaff in den schottischen Highlands, in dem ein Pub namens „The Filthy Pig“ („Zum schmutzigen Schwein“) den sozial-kulturellen Mittelpunkt darstellt, ist unscheinbar, doch lebt in der Abgeschiedenheit auch Meghan Geoffrey-Bishop (Joanna Lumley). Einst eine berühmte Opern-Diva – jetzt nur noch Diva –, lebt sie von ihren inzwischen karger werdenden Ersparnissen und der Sisyphos-Arbeit, ihren Adlatus Max Thistlewaite (Hugh Skinner) auf besagten Opern-Wettbewerb „Singer of Renown“ vorzubereiten, den er schon zweimal fast gewonnen hat. Eigentlich ist die einstige Koryphäe nicht mehr scharf auf die Ausbildung ortsfremder Talente, aber da Millie locker bereit ist, dreistellige Beträge für Gesangsstunden zu bezahlen, willigt die Rentnerin ein. Und merkt schnell, dass da eine Konkurrenz für „ihren“ Max heranreifen könnte.
„Verrückt nach Figaro“ wird im Folgenden von zwei dramaturgischen Stützen getragen: der komödiantischen um Diva Meghan und der romantischen um Millie und Max. Erstere ist eine prächtige Gelegenheit für Joanna Lumley, sich genüsslich in den Breitseiten zu ergehen, die sie gegen ihre beiden Schützlinge abfeuern darf, wenn es um die gesanglichen Leistungen geht. Die besten Trainer(innen) sind eben keine Weicheier! Nach diesem Motto ist denn auch das Dialogbuch von Ben Lewin und Allen Palmer gestrickt. Kein Halbsatz von Meghan Geoffrey-Bishop ohne Spitze.
Auch Herzlichkeit muss dabei sein
Klar, dass die Beleidigungen und Tiraden seitens der Leidtragenden nur eingesteckt werden, weil das Drehbuch am Ende auch Herzlichkeit voraussagt. So ist das in Komödien. Damit das romantische Element auch nicht zu kurz kommt, sieht das Klischee die Dreierkonstellation vor. Jedem Fan von romantischen Komödien wohlvertraut, ist die Heldin immer mit einem netten Lebensgefährten gesegnet, der nur darauf wartet, für den „Wahren“ abserviert zu werden, es aber irgendwie nicht weiter übelzunehmen. So funktioniert auch „Verrückt nach Figaro“, zumindest fast. Denn eigentlich geht es hier ja nicht um Liebe, sondern um Bestimmung, sprich: auch um Oper. Und das haben die Macher dieser romantischen Komödie zum Glück nicht vergessen.
Das Wesen von Nerds ist es, dass sie alles ihrer Passion unterordnen. Umso erfrischender ist es, dass Regisseur und (Co-)Autor Ben Lewin diesen Umstand nicht zugunsten einer platten Liebesgeschichte hintertreibt. Es wird nicht nur erstaunlich viel gesungen und erstaunlich wenig geküsst, es wird zudem „ein Weg beschritten“, und zwar bis zum konsequenten Ende. So ist es auch nicht weiter tragisch, dass nicht jeder Topf sein Deckelchen findet, nicht zuletzt auch deshalb, weil es hier keine wirklich passenden gibt. Klar könnte die grantige Diva mit dem grummeligen Wirt vom „Filthy Pig“ (einmal mehr mit proletenhafter Verve verkörpert von Gary Lewis), und natürlich funkt es zwischen Millie und Max, aber die Geschichte, die „Verrückt nach Figaro“ erzählt, ist eine andere, die sogar von einer wahren Biografie inspiriert ist: der von Gilbert Kaplan (1941-2016). Diesen begeisterte als Kind eine Konzertaufführung von Mahlers Auferstehungssinfonie derart nachhaltig, dass er als erwachsener Börsenmillionär sein Imperium verkaufte, um sich fortan als (Amateur-)Dirigent nur noch dieser Leidenschaft zu widmen. Unter anderem wurde seine Einspielung von Mahlers 2. Sinfonie mit dem London Symphony Orchestra 1988 von der New York Times zu einer der „Records of the Year“ gewählt. Eine wahre, aber letztlich unwahrscheinliche Geschichte, neben der die des fiktionalen Films „Verrückt nach Figaro“ sympathisch geerdet bleibt.