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Filmkritik
Ezra (William A. Fitzgerald) ist anders. Wie genau, ist schwer zu sagen. Für die Medizin ist Ezra Autist, für seinen Vater Max (Bobby Cannavale) der Junge, der erst jahrelang nicht sprechen wollte und heute nicht die Klappe halten kann. Max liebt Ezra. Wenn er ihn ins Bett bringt und akzeptieren muss, dass der Sohn ihn nicht umarmen will, sondern nur mit einem „Du kannst jetzt gehen“ signalisiert, dass er zum Schlafen bereit ist. Max liebt Ezra, auch wenn der Sohn ihm die Liebe nicht zeigen kann, wie es andere Kinder tun. Er liebt ihn, wenn er die Pointen seines Stand-up-Sets ruft, bevor er sie selbst setzen kann; er liebt ihn, wenn er einen ganzen Tag lang nur Filmzitate als Antworten auf seine Fragen hört. Und er liebt ihn auch in dem Moment, als er ihn nachts aus dem Bett holt, gegen den Willen der Mutter Jenna (Rose Byrne), die Empfehlung der Ärzte und die gegen ihn ausgesprochene Unterlassungserklärung.
Zuerst ein Psychogramm des Vaters
Max will nicht glauben, dass jemand diese Liebe teilt. Er will nichts davon wissen, dass sein Sohn mehr brauchen könnte als diese Liebe. Bis der Vater seinen Sohn – nicht gegen dessen Willen, aber eben doch gegen besseres Wissen – entführt, ist „Ezra“ von Tony Goldwyn nicht etwa ein Psychogramm des Sohns, sondern des Vaters. Auf der Bühne ist der Stand-up-Comedian witzig und düster. Er scherzt so lange über die schwierige Beziehung zu seinem Sohn, bis es keine Pointen mehr gibt, nur noch die nackte, perfekt performte Wahrheit. Bei One-Night-Stands kommen dann die Tränen, die er auf der Bühne vor dem Sohn und vor der Ex-Frau zurückhält.
Allein sein Vater Stan (Robert De Niro), in dessen Haus Max wieder lebt, kennt die Routine. Er beobachtet sie seit langer Zeit, irgendwo zwischen Hilf- und Teilnahmslosigkeit. Auf dem Elternabend schlägt die Liebe dann in Feindseligkeit um. Ezra hat einmal zu oft über die Stränge geschlagen. Jenna zeigt Verständnis, Max die Zähne. Der Sohn habe sich gebessert, das Mobbing gegen ihn aber nicht. Die Schule sei in der Verantwortung, nicht der Sohn.
Und doch: Die Pädagogen haben recht. Die Ärzte auch. Der Vorschlag, einige von Ezras Symptomen medikamentös zu behandeln, ist zu viel für Max. Aus Feindseligkeit wird offene Aggression, und aus dieser eine gerichtliche Anordnung.
Es geht auf die Straße
Der nicht gefährliche, aber eben doch verlorene Vater darf den Sohn weiterhin sehen, aber die Sache ist nun das, was sie schon immer war: kompliziert. Der vom Vater veranlasste Road-Trip ist der dazugehörige Ausdruck der Hilflosigkeit. Das gilt auch für den Film von Tony Goldwyn, der durchaus rührend ist, fantastische Schauspieler mitbringt, aber eben doch nicht so wirklich weiß, wohin. Also geht es auf die Straße. Max und Ezra besuchen alte Freunde, schlafen im Auto, frühstücken in Diners, lachen zusammen, haben gemeinsam Heimweh, verlieren das Ziel aus den Augen, einen Auftritt bei Jimmy Kimmel, gehen zusammen verloren und finden zusammen ein neues Ziel.
„Ezra“ beginnt als Film über Väter und wird sukzessive zu einem Film über Söhne. Ezra wird vom Kind, über das in seiner Abwesenheit diskutiert wird, zum Protagonisten, durch dessen Augen die Welt nicht gänzlich neu, aber eben doch ein bisschen anders erscheint. Ezra trifft ein Pferd, überwindet sich, mit der Gabel zu essen, lernt ein Mädchen kennen und umarmt schließlich sogar jemanden. Max lernt zuzuhören, loszulassen und all die Lektionen, die Väter meist zu spät lernen, besonders diejenigen, die es von Anfang an am besten wissen.
Söhne lernen, sie selbst zu werden
Der Übergang gelingt nur bedingt, auch weil der Film allzu lang im Road-Movie-Flow mäandert, um eine elegante Kurskorrektur in Richtung Versöhnlichkeit zu schaffen. Rührend ist „Ezra“ dennoch. Besonders dort, wo das Ensemble übernimmt, wo Rose Byrne, Bobby Cannavale, Robert De Niro und nicht zuletzt auch Jungschauspieler William A. Fitzgerald die Bühne betreten, auf der Väter fallen, um von ihren Söhnen wieder aufgerichtet zu werden. Väter lernen, die Fehler einzugestehen, die sie ein Leben lang gemacht haben. Und Söhne lernen, sie selbst zu werden und damit eben auch: anders.