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Filmplakat von Eva und der Priester

Eva und der Priester

130 min | Drama, Lovestory
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Pariserin Barny lebt mit ihrer Tochter während der Besatzungszeit in einer kleinen Provinzstadt. Sie hat ihren Glauben an Gott verloren, bis sie den katholischen Priester Léon Morin kennen lernt, in den sie sich zwar unglücklich verliebt, dem es aber gelingt, sie in den Glauben zurück zu führen. mediabiz.de: Nach dem Roman von Beatrix Beck (1952) inszenierte Jean-Pierre Melville ein subtiles und wahrhaftiges Frauenporträt, die Geschichte einer unmöglichen Liebe, eines Priesters und einer falschen Konversion. Er hält die theologischen Elemente der Erzählebenen durch die kämpferische Haltung des von Jean-Paul Belmondo imponierend verkörperten Priesters Morin in produktiver Schwebe.

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Filmkritik

Es ist schwer, wenn nicht gar unmöglich, auf Grund der deutschen Fassung des Films das Werk Jean-Pierre Melvilles zu beurteilen. Von den zwei Stunden des Originals hat der Verleih ein knappes Viertel herausgeschnitten, die FSK unseres Wissens weitere 180 Meter, und auch die dieser Berechnung zugrunde gelegte "Originalfassung", die in französischen Kinos zu sehen ist, soll bereits nicht dem von Melville gedrehten Film in allen Details entsprechen. So wie man über die Gründe, die den deutschen Verleiher zu solch kategorischer Kürzung veranlaßt haben, nur vage Vermutungen anstellen kann, so kann man auch die Intentionen des Regisseurs nur mehr ahnen, da sich nicht feststellen läßt, welche Abweichungen von der Romanvorlage der Beatrix Beck beabsichtigt und welche durch unbefugte Korrektur zustande gekommen sind. Die Kürzungen wurden überdies so stümperhaft vorgenommen, daß auch der ahnungslose Zuschauer über sie stolpern muß: Es blieb z. B. ein Dialogverweis auf eine Szene stehen, die in der deutschen Fassung gar nicht mehr enthalten ist, und es tauchen Dinge (das Bild Pétains an der Bürowand) und Personen (der Philosophieprofessor Edelman) auf, die in ihrer dramaturgischen Funktion nicht mehr hinlänglich begreifbar sind.

Wie sehr die Perspektiven verschoben wurden, zeigt sich daran, daß der Film den jungen Abbe Morin und seine theologischen Gespräche mit jener Frau, die der deutsche Titel "Eva" nennt, die dem zum Trotz aber auch in der Synchronisation Barny heißt, in den Mittelpunkt rückt, während im zugrunde liegenden Roman (und nicht viel anders vermutlich im Original des Films, denn die Kürzungen betreffen vornehmlich den Anfang) ein ganzes Drittel vergeht, ehe der Priester zum erstenmal in Erscheinung tritt. Mit dieser mutwilligen Veränderung der Exposition hat der Film nicht nur seinen starken Bezug zur Realität verloren, sondern auch die Glaubwürdigkeit der psychologischen Entwicklung. Die Handlung spielt zur Zeit der deutschen Besetzung Frankreichs. Was der deutsche Zuschauer nicht mehr erfahren darf, ist die Tatsache, daß Barny die Witwe eines aus Rußland stammenden Juden ist und als solche ihr Kind vor dem Zugriff der Deutschen verbergen muß. Gleichzeitig wird sie von Juden ihrer Bekanntschaft um Hilfe angebettelt, und sie versucht in aller Unzulänglichkeit zu helfen. Die Jahre ohne Mann, ihre angeborene Neigung zu einer femininen Männlichkeit (sie träumt von "wundervollen Wesen doppelten Geschlechts") werden für ihren Körper zur Qual. Aber auch die "geistigen Plagen", durch "die persönlichen Freuden und Leiden für einige Jahre eingeschläfert", erwachen von neuem. Ihr agiler, streitsüchtiger Geist verlangt nach einer Auseinandersetzung. Was in der deutschen Filmversion wie ein (unmotivierter und unüberzeugender) Scherz anmutet: die Beichte dieser vermeintlichen Atheistin ist in Wahrheit die Konsequenz einer inneren Revolution: körperlich und seelisch drängt alles in dieser Frau nach einem Dialog. So einzig und allein ist auch die Entwicklung des Schlusses motiviert, daß sich die Dankbarkeit, Verehrung und Bewunderung Barnys für den Priester, der sie in langen Diskussionen und durch sein Beispiel zum Glauben zurückgeführt hat, in Liebe und Verlangen verwandelt. Die ursprünglich folgerichtige Entwicklung wirkt in der uns vorliegenden Filmversion überraschend und psychologisch nicht ausreichend grundgelegt. Die Zuneigung Barnys zu einer schönen Bürokollegin allein kann nicht ausreichen, ihre Krise deutlich zu machen; sie wirkt in der Isolation, in der sie verblieben ist, nurmehr befremdlich. Da also das psychologische Problem in einer seiner Dimensionen an den Rand gedrängt wurde und auch im Verlauf der zahlreichen Dialoge jeder Anklang an die politische Situation sorgfältig ausgemerzt wurde (Original: "Mein Bruder ist von der Gestapo verhaftet worden" - Synchronisation: "... daß mein Bruder gefallen ist"), stellt sich in der deutschen Fassung das Gespräch des Priesters mit der zweifelnd Ungläubigen fast allein der Beurteilung. Abgesehen von geringen Resten ist aus dem Stück ein im engen Sinne "religiöser" Film geworden, mit dem die Auseinandersetzung durch Abschwächung jener - zumindest im Buch vorhandenen - "linken" Tendenzen des Priesters überdies vereinfacht wird. Daß die Folge der Kürzungen eine solche Konzentration auf religiöse Fragen und damit eine wesentlich direktere, intensivere und komprimiertere Glaubensdiskussion ist, rechtfertigt zwar nicht die unbedachte Anwendung der Schere, versöhnt aber mit dem zur Beurteilung stehenden Fragment. Anläßlich eines Interviews über eines seiner nächsten Projekte (Melville wird 1965 Hochhuths "Der Stellvertreter" verfilmen) äußerte der Regisseur, es sei seine Absicht gewesen, mit Léon Morin einen "guten Priester" zu zeichnen. Das ist ihm in der Tat in erstaunlichem Maße gelungen. In jeder seiner Reaktionen ist der junge Abbé Morin des Films überzeugend; man glaubt ihm den starken Einfluß, den er auf die skeptische Barny ausübt, ja man wird dank der intensiven Ausdruckskraft der gänzlich unaufwendigen Darstellung in das theologische Gespräch hineingezogen und engagiert. Von einer schauspielerischen Leistung im herkömmlichen Sinne zu sprechen, wäre in diesem Zusammenhang verfehlt. Belmondo und gleichermaßen Emmanuelle Riva sind der Prototyp eines formbaren Darstellers, wie ihn der Film verlangt, jederzeit fähig, sich der Intention des Regisseurs anzupassen. Melville bewegt sich stilistisch im Gefolge Bressons. Sein Film ist in der Technik durchweg konventionell; seine Wirkung bezieht er aus der Beobachtung, wie die in den Personen ausgelösten Emotionen in ihrem alltäglichen Umweltverhalten reflektiert werden. In der Art, wie eine völlig banale, belanglose Tätigkeit (Barny putzt ihre Wohnung, Tage nachdem sie Morin begehrte und ihn seitdem nicht wiedergesehen hat) ihren Ausdruck findet, wie eine beiläufige Beobachtung (Barny sieht Morin zu, wie er ihr Kind zu Bett bringt) seelische Stimmungen durchscheinen läßt, wie jede Überflüssigkeit, jeder Schnörkel, jede Ausschmückung vermieden wird, jede einzelne Szene, jede Geste, jeder Blick seine Funktion besitzt, darin liegt die eminente Kunst des Regisseurs. Deshalb kann er an entscheidenden Stellen (Morins unausgesprochene Antwort auf Barnys Frage, ob er sie heiraten würde, wenn er ein protestantischer Pfarrer wäre) wie Bresson im "Tagebuch eines Landpfarrers" auf das Wort verzichten und drückt doch mehr aus, als durch Worte sagbar wäre.

Auch vom Dialoginhalt her bietet der Film Ansätze zu einer fruchtbaren Besinnung. Er weiß nicht nur durch die Lebensführung, das Verhalten und die Argumentation Morins zu einer gültigen Aussage über die priesterliche Existenz vorzudringen, sondern er vermittelt in der Betrachtung der Stationen, über die Barny langsam zum Glauben zurückfindet, eine Fülle weltanschaulicher Überlegungen, die auch und gerade Nichtgläubigen und der Vielzahl abständiger Christen Anstoß zu eigenem Nachdenken bieten müßten. Die scharfe und klare Dialektik der Dialogführung des Romans blieb im Film vollauf erhalten, wurde eher sogar durch eine konzentriertere Ordnung noch verstärkt. Auch Bedenken gegen die Einbeziehung der Beichtszenen sind angesichts der taktvollen Behandlung gerade dieser Sequenzen und die bewußte Auslassung der Sakramentenspendung nicht am Platze. Protestieren müssen wir jedoch gegen den spekulativen Titel, der den Film fatal in die Nähe gewisser Sittenschnulzen rückt und erneut die mangelnde Achtung des Verleihs vor dem Werk bekundet.

Erschienen auf filmdienst.deEva und der PriesterVon: Ev. (20.9.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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