- RegieFlorian Gallenberger
- Dauer105 Minuten
- GenreKomödie
- TMDb Rating6/10 (51) Stimmen
Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Mit Sprache lässt es sich köstlich vergnügen. Mit ihrer Hilfe kann man in kreativen Momenten Midlife-Crisis und Wechseljahre problemlos zur „Alterspubertät“ deklarieren und 40- bis 50-Jährige als „Alterspubertiere“ bezeichnen. Wenn man über solche Erfindungen oft genug redet und in einem Buch festhält, kann es passieren, dass der Begriff irgendwann reif für den Duden und damit offiziell geboren ist.
Allerdings sollte man hoffen, dass es im Fall von „Es ist nur eine Phase, Hase“, wo das Buch nun auch verfilmt wurde, nicht so weit kommt. Denn Alterspubertät ist – obwohl per se verständlich – purer Nonsens, weil kontradiktorisch. „Pubertät“, vom lateinischen „puertas“ (Geschlechtsreife, Mannbarkeit) abgeleitet, bedeutet nämlich die „zur Geschlechtsreife führende Entwicklungsphase des jugendlichen Menschen“ und somit das Gegenteil von dem, was die Autoren Maxim Leo und Jochen Gutsch damit bezeichnen: Die Zeit, in der die Hormone zurückgehen, Sex als biologischer Reproduktionsakt unwichtiger wird, Haut und Körper sich in Falten zu legen beginnen.
Ein Trost für Altpubertierende
Es ist keine schlimme Phase. Milliarden Menschen haben sie durchlebt, ehe sie das Zeitliche segneten. Für Leo und Gutsch ist das Schreiben darüber aber offensichtlich Gold. Sonst hätten sie dem Buch „Sprechende Männer“, in dem sie sich und auch ziemlich viele Leser über diese komischen Jahre amüsierten, kein zweites und drittes Werk folgen lassen: 2018 erschien „Es ist nur eine Phase, Hase. Ein Trostbuch für Alterspubertierende“, und 2019 kam das Buch „Du bleibst mein Sieger, Tiger. Noch mehr Trost für Alterspubertierende“ auf den Markt.
Das Phase-Hase-Buch hat Florian Gallenberger nun verfilmt. Er ist 1972 geboren und damit eine Spur jünger als die Autoren, aber selbst auch von der Alterspubertät betroffen und damit Teil der Zielgruppe des Films; Menschen unter 40 und über 60 dürfte das Thema nur bedingt interessieren. Bei der Uraufführung haben Gallenberger und andere, die am Film mitarbeiteten, sich entzückt darüber gezeigt, dass die Zuschauer im Kino lachten. Was zynischer klingt, als es gemeint ist: Corona-bedingt konnten für „Es ist nur eine Phase, Hase“ keine Testscreenings durchgeführt werden; so begab man sich blindlings aufs glatte Eis des Kinohumors.
Tatsächlich ist der Film Schenkelklopfer-lustig und auch oft situationskomisch. Wobei er öfters unter die Gürtellinie zielt oder sich jenseits der Schamgrenze bewegt. Bei einer leise frivolen Sex-Comedy ist das nicht schlimm. Doch „Es ist nur eine Phase, Hase“ ist ein als Komödie aufgezogenes Beziehungsdrama, in dem es auch um Sex geht. So kommt es im Buch zumindest vor. Im Kino aber empfindet man nach dem ersten Lacher alsbald Mitleid mit Paul, der während mehreren Szenen (und somit gefühlten Stunden) mit einer ungeschickterweise ins Rektum eingeführten Liebeskugel durchs Leben gehen muss. Und weil diese Kugel ziemlich zu Filmanfang losgetreten wird, gibt sie eine Ebene des Humors, der Teilen der Story nicht gerecht wird – und damit gar nicht mehr so lustig ist.
Pauls „komische“ Aussetzer
Wobei man über diese Story, in deren Zentrum der von Christoph Maria Herbst herzergreifend jämmerlich und zugleich lustig gespielte Schriftsteller Paul steht, ein paar Worte verlieren muss. Denn sie dreht sich nicht nur um Paul, sondern auch um Emilia, mit der er übermütig seine tollsten Jahre erlebte, die er später heiratete und mit der er drei Kinder hat: Fe, die in der Pubertät steckt und alles ätzend findet, was ihre Eltern tun. Die neunmalkluge Leseratte Marie, und Bo, der Jüngste, der unablässig große und wichtige Fragen stellt. Die Kinder sind wohlgeraten. Die Stimmung in der Familie ist gut. Man hat, obwohl der Alltag routiniert verläuft, es oft auch lustig miteinander. Wären da nicht Pauls komische „Aussetzer“, etwa eine nach einem gemütlichen Abend mit Freunden auf der Heimfahrt an Emilia gerichtete spitzige Bemerkung, dass sie beide nicht das ewige Traumpaar wären, als das sie ihre Freunde sehen.
Doch die Bemerkung ist gefallen. Die Kugel steckt in Pauls Allerwertestem, er selbst in einem Schreibstau und überdies im Alltagstrott fest. Die sich häufenden runden Geburtstage heben die Stimmung nicht. Paul möchte gern nochmals jung, wild, kopflos verliebt und betrunken sein, ohne danach tagelang verkatert durchs Leben zu schlurfen. Und den Witz von der alten Frau, die man im Fitness-Center so lange heimlich beobachtet, bis man feststellt, dass man das eigene Spiegelbild anstarrt, möchte man lieber auch nicht mehr hören.
Eines Abends landet Emilia mit ihrer besten Freundin auf einer Party und dabei auch im Bett des ihr unbekannten Gastgebers Ruben Jacobs, einem sanftmütigen Schönling, zwanzig Jahre jünger als sie, den zu beschreiben ihre Freundinnen ein einziges Wort verwenden: heiß.
Am nächsten Morgen fliegt alles auf
Wie es Komödien so wollen, fliegt bereits am Morgen danach alles auf. Bevor Paul sich versieht, verlangt Emilia eine Beziehungspause. Die nun folgende Story, die sich Malte Welding und Florian Gallenberger ausgedacht haben, um die 25 losen Anekdoten der Vorlage miteinander zu verknüpfen, ist schrecklich abgedroschen. Paul zieht aus, bläst den Blues, wird depressiv. Die Kinder sind erst geschockt, finden Emilias Liebhaber dann aber ganz nett. Pauls Freunde warten mit gutgemeinten Rat- und Vorschlägen auf. Irgendwann bandelt Paul mit Maries Lehrerin an. Sie ist wie Ruben Jacobs jung und sexy, hat Pauls autobiografisch-authentische Bücher gelesen und würde mit ihm am liebsten das ganze wilde Programm, das er mit Emilia erlebte, nachinszenieren.
Paul und seine Familie treffen sich ab und zu auf einem Fest; die Gefühle liegen blank, Paul tritt in Fettnäpfchen, blamiert sich, irgendwann kommt die Scheidung. Die Kinder leiden anscheinend nicht unter der Situation, tun es insgeheim aber doch – oder drangsalieren zumindest ihre Eltern damit, was sie gemäß Statistiken nun alles für psychische Schäden davontragen werden.
Vieles, was man auf der Leinwand präsentiert bekommt, ist gekalauert witzig und/oder bumsfidel klamaukig. Die im Buch vorhandenen zarteren Töne fehlen dagegen weitgehend. Weil Emilia und Paul sich anders als im Buch im Film trennen, fehlt ihnen die nötige Reibung, um miteinander weiterzukommen. Ebenso entfällt Pauls Sinnieren über das Auseinanderklaffen von Wunsch und Wirklichkeit. Nur an wenigen Stellen tritt der im Buch allgegenwärtige Ich-Erzähler in Erscheinung, dessen witzigen Einfällen und Lebensweisheiten das Buch seinen Reiz verdankt.
Es ist nur eine Phase
Das heißt allerdings nicht, dass „Es ist nur eine Phase, Hase“ nicht unterhaltsam wäre. Er ist oft sehr lustig, bisweilen auch leise-weise und amüsant, in seltenen Momenten berührend. Etwa, wenn H.P. Baxxter in einem Cameo den sehr schönen Text übers Älterwerden vorliest, den Paul auf Facebook gepostet hat. Christiane Paul gibt Emilia souverän, Pauls und Emilias Kinder werden von Emilia Nöth, Bella Bading und Wanja Valentin Kube glänzend gespielt. Die Rollen von Freunden und Freundinnen sind mit Jürgen Vogel, Peter Jordan, Bettina Lamprecht und Barbara Philipp prominent besetzt. Es sind oft mehr (Slapstick-)Figuren denn Charaktere; überaus peinlich ist die Figur der Lehrerin Eva Schneiderhahn, die halb so alt ist wie Paul, ihn aber nicht seiner Reife und seines Alterscharmes wegen schätzt, sondern ihm immer nur plump an die Wäsche will. Das ist schade. „Es ist nur eine Phase, Hase“, das Buch, hätte einiges mehr hergegeben.