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Filmkritik
Carl Mørck (Ulrich Thomsen) ist ausgebrannt. Noch bevor die Ermittlungen für den vierten großen Fall des Kommissars beginnen, ist sein von Tragödien und den Nachwirkungen vorangegangener Fälle erschüttertes Leben in einer Sackgasse aus Einsamkeit und Depressionen angekommen. Dass der einzige Ausweg, den Mørck für sich findet, nur noch tiefer in den Abgrund führt, ist unausweichlich: Er ignoriert die ihm verordnete Auszeit und die dazugehörigen Sitzungen beim Psychologen und übernimmt einfach den nächsten Fall.
Wenn die Beweise fehlen
Dieser ist schnell gefunden, als die Polizei einen Roma-Jungen namens Marco (Lobus Olàh) aufgreift, der den Ausweis eines seit Jahren verschwundenen Mitarbeiters des Auswärtigen Amtes bei sich trägt. Dieser Mann, William Stark, wurde vor einigen Jahren für schuldig befunden, eine Jugendliche vergewaltigt zu haben, als er einen Skandal um die Veruntreuung von Entwicklungshilfe aufzudecken versuchte. Es fällt Mørck nicht schwer, hinter diesen Vorgängen eine Verschwörung zu wittern. Für ihn scheint die Sache ohnehin klar. Die dazugehörigen Beweise sind jedoch schwer zu finden, und auf die Kooperation des jungen Marco, der von einem kriminellen Clan bedroht wird, können Mørck und sein Partner Assad (Zaki Youssef) erstmal nicht hoffen.
Auf den Spuren der Ermittler, die jenen des Opfers und der Hintermänner folgen, rollt der Film eine mitten in den mächtigen Institutionen von Staat und Privatwirtschaft entsprungene Verschwörung auf. Die Gier der Mächtigen, die Brutalität ihrer Handlanger, der Preis, den die Opfer dafür zahlen und eine Gesellschaft, die an der Oberfläche deutlich zu harmonisch für derartige Verdorbenheit erscheint, entfalten sich exakt entlang der Schablone des „Nordic Noir“-Genres. So exakt, dass eben die Zwischenräume fehlen, die etwas Menschlichkeit ins Prozedere bringen.
Das größte Rädchen im Mahlwerk
Auf dem Papier ist auch in der fünften Verfilmung von Jussi Adler-Olsens Romanreihe um Kommissar Mørck und das „Sonderdezernat Q“ all dies vorhanden. Doch der misanthropische Kommissar mit dem Herz am rechten Fleck (diesmal gespielt von Ulrich Thomsen, der die Rolle nach vier Filmen von Nikolaj Lie Kaas übernimmt) bekommt keine Zeit für sein zerrüttetes Privatleben, das sein Auftreten und seine Methoden im Guten wie im Schlechten prägt. „Erwartung – Der Marco-Effekt“ ist zu beschäftigt, die Ermittlungen und die in ihrem Zuge aufgerollte Verschwörung in einen Film zu bannen, um noch viel Zeit für das komplizierte Privatdasein des Kommissars zu haben. Das wirkt auch deswegen befremdlich, weil die Handlung mit einer persönlichen Tragödie für Mørck beginnt, die im Laufe der Handlung, abseits ihrer diagnostischen Qualität, keine Rolle spielt. Mørck ist hier, weil er hier sein muss. Er ist das größte Rädchen im Mahlwerk der Ermittlungen und wird – ob er will oder nicht – gedreht, bis der Fall gelöst ist.
Regisseur Martin Zandvliet inszeniert nach seinem bemerkenswerten Debütfilm „Unter dem Sand“ und der Genre-Produktion „The Outsider“ einen phlegmatischen Thriller, der sich nie zu mehr als der geforderten Mindestleistung aufraffen kann. „Erwartung – Der Marco-Effekt“ ist ein erstaunlich halbgarer Film. Eine von Mørcks Schuldgefühlen zerstörte Freundschaft, eine sich anbahnende Liebesbeziehung und die permanent aufgeschobene Auseinandersetzung mit der eigenen, angeschlagenen Psyche bleiben folgenlose Andeutungen. Ebenso die Verschwörung der Eliten, die sich in staatlichen Institutionen und großen Privatorganisationen eingenistet haben. Stattdessen hangelt sich der Film mühselig an der Ermittlungsschablone entlang durch die Genre-Klischees: Die da oben sabotieren die Ermittlungen, die guten Polizisten werden suspendiert, die Geliebte wird zum Opfer und so weiter.
Bis zum Burnout
Gänzlich ohne Schauwert sind diese Klischees natürlich nicht. Anders Matthesen ist als der permanent schwitzende und mit seiner Rolle offensichtlich überforderte Strohmann Teis Snap ebenso unterhaltsam wie der Figur des sterbenden Patriarchen, dessen Krankenzimmer mit den Trophäen unzähliger Großwildjagden geschmückt ist. Doch der Film um sie herum lässt die Genreklischees nicht dort zu, wo sie einen guten Platz hätten, sondern eben nur dort, wo der Plot so weit in politische Ebenen auffächert, dass es sie braucht, um ihn noch im Rahmen zu halten. Das Ergebnis ist wenig mehr als notgedrungene Pflichtausübung. Bis zum Burnout.