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Filmkritik
Man vermutet eine romantische Geschichte, eine Begebenheit, an der sich die Sentimentalität trübe entfacht. "Desire" heißt aber nicht Sehnsucht, sondern Begierde. In diesem Schauspiel des Amerikaners Tennessee Williams, das auch in Deutschland ein ungewöhnlicher Erfolg war, spielen sich nicht erbauliche Empfindungen milde aus, hier geht es vielmehr um sehr unromantische Tatsachen, die in ihrer furchtbaren Nacktheit nicht mehr die Illusion zulassen, daß es sich da um billige pseudoliterarische Erfindungen handle, die jedem vernünftigen Menschen ein Ärgernis sind. - Wie verhält sich nun der Film zu einem Tatbestand, dessen deprimierende Wirklichkeit auf der Theaterszene starke Erschütterungen auslöst, die durch keinen tröstlichen Ausblick aufgefangen werden? Er ändert im Wesentlichen nichts, weitet nur die Detailzeichnung des Milieus aus. Wie Blanche, eine Frau, die an ihrem zweifelhaften Lebenswandel gelitten hat, die eine tiefe Sehnsucht zur Menschlichkeit im Herzen trägt, erneut in den Bereich des niederen animalischen Instinkts gerät, dem sie eben entrinnen wollte, und daran endgültig zerbricht, das ist die triste Skizze einer Lebenswirklichkeit, die vor dem prätentiösen äußeren Glanz Hollywoods so gern übersehen wird. Man erkennt: hinter dem lärmend sich gebärdenden Fortschrittsoptimismus lauert die bare Seelenlosigkeit. Was da möglich ist, hat Tennessee Williams auf bestürzende Weise ans Tageslicht gezerrt. Er ist dabei weit über die einzelne psychologische Untersuchung hinausgeraten. In einen Umriß von fast unangenehmer Wirklichkeitsnähe, zwängt er Sinnbilder, die das Ganze als unheimliche Vision auf, einen allgemeinen Sachverhalt erscheinen lassen. Man zweifelt nicht, daß dieser Sachverhalt Züge des Wirklichen trägt, indessen läßt sich ein Einwand gegen den Schicksalspessimismus des Amerikaners, der die Franzosen durchaus in den Schatten stellt, kaum vermeiden. Die Gefahr besteht, daß diese Begebenheit falsch, das heißt "absolut" gesehen wird. Deshalb sei darauf hingewiesen. Mit der Formel "So ist das Leben" läßt sich dieser sehr individuelle Zusammenhang des Menschlichen, der als Fall in jeder Hinsicht glaubhaft ist, nicht in seiner Bedeutung bestimmen. Man sollte ihn indessen als Beispiel sehen, dessen bestürzende Lebensnähe ein Anruf an das Gewissen ist, das sich so gerne an den freundlichen Seiten des Lebens beruhigt.
Eine Frau strandet an der Endstation des Daseins, die "Begierde" heißt. Für die filmische Gestaltung bedeutet das ein Problem, wenn die distanzierende Kraft des Künstlerischen wirksam werden soll. Hier verhält es sich so, daß die Atmosphäre eines niederen und erniedrigenden Milieus mit starker Neigung zum realistischen. Detail die menschlichen Regungen unterstreicht, oder zu ihnen kontrastiert. Dieser Dreck des Slums, dieser billige Plunder: er verstärkt die Niedrigkeit der Gesinnung, die ganz in der Bodenlosigkeit der Amoral (nicht der bewußten Unmoral) versackt, er stellt zum anderen die Sehnsucht der Blanche nach echter Menschlichkeit in den Bereich einer tragischen Ironie, der unentwirrbar bleibt. Das ist alles mit bezwingender Folgerichtigkeit angelegt und wirkt vom Bild her unerhört eindringlich. Und mit Vivian Leigh ist eine Blanche von solch innerer Intensität in diese Situation ohne Ausweg gestellt, daß die Ausweglosigkeit im Zusammenhang eines individuellen Falles absolut sinnvoll erscheint. Wer das Ganze in solcher Perspektive sieht, dem wird alle Trostlosigkeit zur positiven Einsicht werden. Denn es hat keinen Sinn, sich den bitteren Wirklichkeiten des Lebens (die natürlich nicht das volle Leben sind) zu verschließen.