- RegieWendla Nölle
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer90 Minuten
- GenreDrama
- Cast
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Filmkritik
Juditha und Erik sind mehr als dreißig Jahre verheiratet und lieben sich noch immer. Sie haben die Tochter Sarah großgezogen und ein abwechslungsreiches, erfülltes Leben geführt. Als der agile, aus Schweden stammende Architektur-Professor Erik in Rente geht, hofft Juditha, dass die beiden nun endlich mehr gemeinsame Zeit in ihrem Haus in Hamburg verbringen können. Bisher war Judithas Multiple Sklerose jahrelang beherrschbar, sie bewegt sich geschickt mit einem Gehstock und benutzt einen Greifarm, um Geschirr aus dem Schrank zu nehmen. Doch nun schreitet die Krankheit gnadenlos voran, Juditha stürzt im Haus immer öfter und bleibt hilflos liegen.
Erik tut sich schwer mit dem neuen Dasein als Rentner und dem ständigen Zuhause-Sein, das ihm schnell zu eng wird. Häufig muss er einfach hinaus. Jedes Mal, wenn Juditha dann einen Notizzettel von ihm findet, ist das für sie wie ein Stich ins Herz. Auf der Suche nach neuen Aufgaben bewirbt er sich sogar – erfolglos – auf eine Stelle im schwedischen Malmö und beginnt ein Studium der erneuerbaren Energien, das er bald wieder aufgeben muss, weil der Zeitaufwand für die Pflege von Juditha immer größer wird. Sie wiederum fühlt sich oft einsam und hadert mit den Folgen ihrer Krankheit. Ein kleiner Lichtblick ist der Besuch der Tochter Sarah, die sich ein Leben in Malmö aufgebaut hat und mit Mitte 30 schwanger wird.
Eine wachsende Überforderung
Als Juditha mehr und mehr an ihre körperlichen Grenzen stößt und sich verzweifelt aus der Welt zurückzieht, wächst bei Erik das Unverständnis darüber, dass sie jegliche Hilfsmaßnahmen wie eine häusliche Pflegekraft oder einen rollbaren Toilettenstuhl kategorisch ablehnt. Denn Juditha will ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben und nicht auf andere Menschen angewiesen sein. Überfordert von der Situation, bekommt Erik Atemnot und Panikattacken und sucht Zuspruch in einer Seniorengruppe, was bei seiner Frau auf Unverständnis stößt. Schließlich hält er es zuhause einfach nicht mehr aus und reist nach Malmö.
Die in Hamburg geborene Regisseurin Wendla Nölle legt mit „Ein großes Versprechen“ ihren ersten langen Spielfilm vor. Das Debüt ist unübersehbar geprägt von autobiographischen Erfahrungen. Die Geschichte des Filmehepaars, die ihre Hamburger Kommilitonin Greta Lorez im Drehbuch erzählt, ist angelehnt an die Geschichte von Nölles Eltern.
Wie schon in ihren Dokumentarfilmen „Make Me A Match“ und „The Chosen Ones“ über jüdische Identitätssuchen in New York City und Jerusalem setzt sich Nölle auch in ihrem kammerspielartig angelegten Spielfilm mit existenziellen Fragestellungen auseinander. Wie kann man auch im Alter ein Leben in Würde führen? Wie können Senioren ihre Liebe am Leben erhalten, wenn Ängste und Frustrationen wegen des fortschreitenden Verfalls überhandnehmen? Darf man schwerkranke Ehepartner verlassen, um selbst wieder ein selbstbestimmtes Leben führen zu können?
Keine einseitige Parteinahme
Nölle und Lorez nähern sich diesen schwerwiegenden Fragen mit großem Fingerspitzengefühl. Vor allem ergreifen sie nicht einseitig Partei. Vielmehr schildern sie einfühlsam die Sehnsüchte, Enttäuschungen und seelischen Nöte beider Partner, die zunehmend auseinanderdriften. Während Erik zum Beispiel weiterhin Umgang mit anderen Menschen haben möchte, erwartet seine Frau, dass er auf andere Menschen verzichtet und sich zu Hause allein ihr widmet. Paradigmatisch dafür ist eine starke Szene, in der sie nach einem abermaligen Sturz ins Krankenhaus gebracht werden muss und ihm vorwirft: „Immer wenn du gehst, verlässt du mich. Für mich ist das so.“ Und er erwidert: „Aber ich muss raus.“ Kurios wirkt es jedoch, dass die deutliche ärztliche Warnung vor einem Herzinfarkt Erik keineswegs von den Fluchten aus dem Haus und der Reise nach Malmö abhält.
Bedauerlich ist, dass der Film die dramaturgischen Potenziale relevanter Nebenfiguren wie der Tochter oder eines Arbeitskollegen von Erik, die sich auf Kurzauftritte beschränken, nicht ausschöpft. Gerade weil es sich offenbar um eine intakte und intensive Eltern-Kind-Beziehung handelt, erschließt sich nicht recht, warum Mutter und Vater angesichts des steigenden Leidensdrucks Sarah nicht stärker in die Problemlösungssuche einbinden.
Umso stärker ruht die geradlinige Inszenierung auf den Schultern der Hauptdarsteller. Dagmar Manzel und der schwedische Star Rolf Lassgård laufen in dieser konfliktreichen Konstellation zu großer Form auf. Lassgård gibt lakonisch den lebensfrohen Pensionär, der seine Frau liebt, aber immer mehr damit hadert, dass sie sich nicht helfen lassen will. Manzel versteht es, die stetig wachsende körperliche Behinderung ebenso ergreifend darzustellen wie die Scham und die Furcht vor Ohnmacht und Einsamkeit.
Im Kern ein Zweipersonenstück
Die Kamera von Nikolai von Graevenitz bleibt meist nah an den Figuren, ohne ihnen zu nah auf die Pelle zu rücken. Dass der Bildgestalter fast immer aus der Hand filmt und damit den Bildkader stets in einer leichten Unruhe hält, spiegelt auf der visuellen Ebene die wachsende Verunsicherung der Protagonisten wider. Leider kann die Bildsprache des Films, der im Kern sozusagen ein Zweipersonenstück bebildert, ansonsten mit der inhaltlichen Fallhöhe nicht mithalten, sie bleibt sehr konventionell und versucht nicht einmal, die Formatbeschränkungen eines schmal budgetierten Fernsehspiels zu überschreiten.