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Filmkritik
„Ich habe eine Affäre mit dem Postboten“, schleudert die Verkäuferin Jan Vokes (Toni Collette) ihrem Ehemann Brian entgegen. Doch der überhört diese – unwahre – Behauptung ebenso wie ihre Ankündigung, dass sie eine Million gewonnen habe. Stattdessen erkundigt er sich: „Was gibt es zum Tee, Liebes?“ Nach vielen Ehejahren ist die Kommunikation zwischen den beiden offensichtlich eingeschlafen. Während der an Arthritis leidende ehemalige Farmer Brian (Owen Teale) den ganzen Tag im Sessel lümmelt und in die Röhre schaut, steht Jan in aller Frühe auf, um ihren eintönigen Job als Supermarktkassiererin anzutreten.
Das walisische Ehepaar Vokes wohnt in einem verschlafenen Kaff. Die von zweistöckigen gräulichen Steinhäusern umsäumte Hauptstraße des ehemaligen Reviers ist der Knotenpunkt des Dorfes. Immer wieder sieht man Jan und andere teilnahmslos die steilen Straßen des hügeligen Örtchens hinauf- und hinuntergehen, um Einkäufe zu tätigen oder sich flüchtig zu grüßen. Stimmung herrscht am ehesten noch in der halbleeren Dorfkneipe, in der Jan abends am Tresen aushilft.
Eine Änderung muss her, und Jan weiß auch schon, welche. Die Mittvierzigerin ist sehr tierlieb und hat seit ihrer Kindheit bereits Wellensittiche, Kaninchen, Windhunde und Tauben gehalten. Nun sehnt sich Jan nach einem edleren Tier – sie will ein Rennpferd züchten. Dieses Vorhaben klingt für das (Film-)Publikum ähnlich überraschend wie für Jans Ehemann, doch er willigt ein, das letzte Sparguthaben für eine Rassestute zu investieren. Da die beiden den Unterhalt des bald geborenen Fohlens nicht alleine stemmen können, überreden sie ein Dutzend Dorfbewohner, ein sogenanntes Pferdesyndikat zu gründen, das die Kosten für das Pferd untereinander aufteilt.
Ein Pferd namens Dream Alliance
Bald kommt es so, wie es in filmischen Adaptionen von wahren Erfolgsgeschichten meistens kommt. Aus einem ungelenken Fohlen wird ein widerspenstiges, aber begabtes Pferd. Ein Top-Trainer wird gesucht und gefunden, der es zum Rennpferd ausbildet. Bald nimmt der „Dream Alliance“ getaufte Vierbeiner an Wettrennen teil und steigert sich stetig, bis ein Unfall ihn buchstäblich aus der Bahn wirft.
Haustiere sind nicht nur im echten Leben des Menschen bester Freund, sondern machen sich auch auf der Leinwand gut. Doch während Hunde ihre Herrchen und Frauchen retten können, für Comic Relief sorgen oder zumindest treuherzig in die Kamera schauen und Katzen in Filmen ihren eigensinnigen Charakter ausleben, fungiert das Rennpferd hier als Katharsis für ein ganzes Dorf. Das erscheint in einem Örtchen, in dem man eher übereinander herzieht und sich nichts gönnt, eher unwahrscheinlich. Dass es die Eheleute Vokes aus ihrer Lethargie weckt, ergibt allerdings durchaus Sinn. Nur generiert die wiedergewonnene Lebensfreude der beiden lediglich recht banale Szenen des Jubels (wenn Dream Alliance gewinnt) und des Bangens (wenn er stürzt).
Dass sich eine Gruppe von Hinterwäldlern in dem versnobten Mikrokosmos des Pferdebusiness durchsetzt und zu seiner Herkunft steht, knüpft an britische Sozialkomödien der 1990er-Jahre an, erreicht allerdings nicht deren Unterhaltungswert. Denn die vom Drehbuchautor Neil McKay intendierte Charakterzeichnung der Mitglieder des Pferdesyndikats mündet in Abziehbilder gewollt liebenswert-skurriler Figuren: der schlagfertige alte Besoffene, die schokoladensüchtige alte Jungfer und ein pedantischer Paragraphenreiter.
Ein Lebewesen mit Gefühlen
Auch Jans Mitstreiter Howard, ein wettsüchtiger Steuerberater, taugt kaum als ebenbürtiger Leinwandpartner für die patente Frau. Damian Lewis wirkt in der wenig konturierten Rolle auch entsprechend blass. Am Anfang gibt es zwar ein wenig Reibung zwischen dem Mittelständler und der Frau aus dem Volk, doch die löst sich bald – wie alles in diesem doch sehr vorhersehbaren Film – in Wohlgefallen auf. Immerhin wirkt Toni Collette überzeugend als aufopferungsvolle Proletarierin, die sich um alle Lebewesen kümmert, darunter auch ihre gebrechlichen Eltern, und ihre Mitmenschen motiviert.
Der Film wirft keinerlei ethischen Fragen nach Sinn und Zweck des für die Pferde teilweise tödlich endenden Hindernislaufs auf – eine Problematik, die jüngst angesichts der Tierquälerei im Modernen Fünfkampf der Olympiade in Tokio 2021 in den Fokus rückte. Zumindest gelingen Regisseur Euros Lyn in den Wettkampfszenen einige spannende Momente. Zu Herzen gehend sind auch die Szenen, in denen das Pferd in Großaufnahme und in der Interaktion mit seinem Frauchen gefilmt wird. Wenn die Pferdeflüsterin Jan sich an den riesigen, aber anmutigen Pferdekopf schmiegt und das Tier als Lebewesen mit Gefühlen aufwertet, wirkt diese Beziehung überzeugender als alle zwischenmenschlichen Bindungen im Film.