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Filmkritik
Walt Disney benutzte zur Verfilmung dieses Märchens eine französische Fassung von Charles Perrault, die älter, aber auch kühler und unromantischer zu sein scheint als die Grimmsche Nachdichtung. Dornröschen heißt hier Aurora. Sie ist eine hübsche, schon vor dem Todesschlaf ein wenig blutleere Märchenprinzessin, die 16 Jahre lang von drei guten Geistern verborgen gehalten wird, damit sich der Fluch der diabolischen Malefiz an ihr nicht erfülle. Doch am entscheidenden Tage geraten die drei Ersatzmütter in einen typisch weiblichen Streit und verraten dabei das Versteck. Aurora muß vorerst einmal sterben, nach manchen Abenteuern aber finden die guten Jungfern Gelegenheit, über das bekannte Happy-End die schuldigen Tränen der Rührung zu vergießen. - Die amüsanteste Schöpfung Disneys sind zweifellos die guten Geister: gutmütige, schrullige Kaffeetanten, so liebenswürdig "vermenschlicht", daß man sie gut und gern neben Donald Duck oder die Mickymaus stellen möchte. Mit den Prinzessinnen und Prinzen hat das amerikanische "Märchen" schon immer etwas Pech gehabt. Aurora wirkt denn auch mehr wie ein Operettenfigürchen, ihr Held erinnert leicht an diverse Comicbook-Gestalten, und Malefiz, die böse Fee, könnte einem Modejournal entsprungen sein. Überhaupt ist auch dieser Disney wieder mit amerikanischem Schmunzeln gedreht worden, mit einem breiten Erwachsenenschmunzeln - so sehr, daß über den allzu menschlichen Konkretionen die Elemente des deutschen Märchens, die klare Entscheidung zwischen Bös und Gut, die Symbolkraft, die Offenheit gegenüber der kindlichen Imagination viel zu kurz kommen. Ein frohmachendes Erlebnis vielleicht für alle Altersstufen - am wenigsten leider für das eigentliche »Märchenalter". (Im Beiprogramm: "Grand Canyon".)