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Filmkritik
„Sakra“ galoppiert durch die Geschichte. Kaum fünf Minuten braucht der Film, um Kindheit, Jugend und die prägenden Jahre des Protagonisten nachzuzeichnen. Eben noch ein im Korb gefundenes Findelkind, trägt der junge Qiao Feng zwei Einstellungen später bereits einen mannshohen Stapel Brennholz durch den Shaolin-Tempel. Er fliegt die Dächer hinauf, bringt eine Diebesbande zur Strecke, wird Mitglied des „Baigang“-Clans der Bettler und ist eine Szene später zu einem ihrer Anführer aufgestiegen.
Der Wuxia-Film von Donnie Yen rauscht in wenigen Bildern in die Gegenwart des mittelalterlichen Chinas. Die Welt von „Sakra“ entstammt dabei dem Roman „Demi-Gods and Semi-Devils“ (1963-1966), einem der populärsten Werke von Louis Cha, besser bekannt als Jin Yong, dessen Veröffentlichungen die eigentliche Geburtsstunde des Wuxia-Genres markieren und damit zu den prägendsten der modernen chinesischen Literaturgeschichte zählen.
Jin Yongs Werke sind bis heute populär genug, um ständig neu verfilmt oder zur Fernsehserie gemacht zu werden. Allein „Demi-Gods and Semi-Devils“ wurde schon sechs Mal als Serie und vier Mal für das Kino adaptiert. Die neueste Verfilmung steuert Donnie Yen als Regisseur und Hauptdarsteller bei.
Ein Held mit falscher Abstammung
Der Popularität der Vorlage entsprechend, verwendet der Film wenig Zeit darauf, die Wegbegleiter von Qiao Feng ausführlich vorzustellen. Die unzähligen Namen seiner Gefährten und Kontrahenten werden mit Ehrfurcht und der kanonischen Selbstverständlichkeit ausgesprochen, die keine Erklärungen oder Hintergründe liefern muss.
Im Unterschied zur Romanvorlage bleibt „Sakra“ aber auf den einen Protagonisten konzentriert, ist jedoch gleichzeitig als Start einer Filmreihe konzipiert. So erscheinen die miteinander verknoteten Schicksalsstränge der „Wulin“ genannten Kampfkunst-Helden gleichzeitig komplex und vage und bleiben dabei für alle, die mit der literarischen Vorlage nicht vertraut sind, ziemlich unübersichtlich.
Qiao Fengs Schicksal scheint jene Ausnahme zu bilden, die die Regel bestätigt. Kaum ist er der Anfangsmontage entwachsen und als Anführer der „Baigang“ aufgetreten, konfrontieren ihn die Ältesten bereits mit seiner Herkunft. Denn er ist als „Khitan“ geboren und damit ein Angehöriger des verfeindeten Königreichs Liao.
Kampf gegen vertraute Feinde
Gemäß seines Ethos der Ritterlichkeit zieht der Protagonist los, um die eigene Herkunft zu klären, und sieht sich dabei mit einer Welt konfrontiert, die sich zunehmend gegen ihn zu verschwören scheint. Sein Meister und seine Adoptiveltern werden ermordet; doch die Wulin verdächtigen ihn, hinter den Anschlägen zu stecken. Fortan muss sich der für vogelfrei erklärte Qiao Feng auch mit vertrauten Feinden auseinandersetzen. Sein anfängliches Lächeln inmitten der von CGI und einem bombastischen Sounddesign gestützten Schlachten verschwindet, die spielerischen Hiebe und Tritte weichen der Gewalt der Waffen und des Chis, die den Kampf mit den Freunden von einst umso blutiger erscheinen lassen.
Den Kontrast bildet eine Liebesbeziehung zwischen Qiao Feng und der Dienerin Azhu (Chen Yuqi), die als Unbeteiligte in einem der Kämpfe schwer verwundet wird. Dem Pathos des Films und der Größe der Vorlage entsprechend, ist die große Liebe weniger auf konkrete Körperlichkeit und zärtliche Momente als auf Worte gebaut.
Dass dann nicht etwa ein Feind oder seine Liebe für Azhu, sondern seine Herkunft den charismatischen Kampfkunst-Superhelden zu Fall bringt, ist emblematisch für einen Film, der sich im Handgemenge äußerst wohlfühlt, abseits des Schlachtfelds aber immer wieder ins Straucheln gerät. Die überdrehte Energie, die Qiao Feng über die Dächer fliegen, sein Chi bündeln, die Pressurpunkte seiner Widersacher massieren und ganze Horden von ihnen ausschalten lässt, findet dort keine Ruhe, wo er den Ältesten seines Clans gegenübersteht. Auf der Suche nach Orientierung springt die Kamera durch die Symmetrie, mit der sich die großen Namen der Wulin aufgestellt haben.
Fehl am Platz
Die Nervosität, die im Gefecht der Wuxia-typischen tänzerischen Kampfkunst-Eleganz eine eigene, schamlos überwältigende Modernität gibt, ohne je den Gesamtüberblick zu verstellen, scheint dort fehl am Platz zu sein, wo sich Qiao Feng seinem Schicksal und den dazugehörigen Ritualen und Gesprächen stellen muss. Donnie Yen und die Co-Regisseure Kam Ka-wai und Cheng Wai-man suchen hier vergeblich jene Harmonie, die sie im Chaos des Gefechts nie aus dem Blick verlieren.