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Filmkritik
Die kluge Maus Pattie aus der antiken Stadt Iolkos möchte endlich hinaus in die große, weite Welt. Davon hält ihr Adoptivvater Sam, ein gutgenährter, aber vegetarisch lebender Kater mit Faible fürs Theater, nicht viel – er bleibt lieber im vertrauten Umfeld. Folgerichtig verheimlicht er Pattie, dass sie in einer Lotterie die ersehnte Reise zur Bibliothek in Alexandria gewonnen hat. Als die Bewohner der griechischen Küstenstadt eine riesige Statue zu Ehren des Göttervaters Zeus enthüllen, reagiert dessen neidischer Bruder, der Meeresgott Poseidon, zornig. Er reißt das Goldene Vlies, das Iolkos Wohlstand und Frieden bringt, an sich und fordert von der Stadt, binnen einer Woche eine gleich große Statue für ihn zu errichten, die sein Wahrzeichen, einen wertvollen Dreizack, tragen soll. Andernfalls will er die Stadt mit einer gigantischen Wasserwand zerstören.
Die Bewohner reaktivieren daraufhin den altersschwachen Greis Jason, der als junger Held vor 80 Jahren das Vlies hergebracht hatte. Mit seinen wiederbelebten Kampfgenossen, den Argonauten, soll er auf der einsamen Insel Trinatos einen sagenhaften Saphir für den Dreizack aufspüren. Kurzentschlossen schleicht sich Pattie auf das klapprige Schiff Argo, widerwillig gefolgt von Sam. Unterwegs und auf der Insel warten zahlreiche Abenteuer.
Originelle Geschichten aus bekannten Universen
„Die wilden Mäuse“ ist nach „Die Dschungelhelden – Das große Kinoabenteuer“ (2017) und „Die Dschungelhelden auf Weltreise“ (2023) der dritte lange Film des französischen Trickfilmstudios TAT Productions, das David Alaux und die Brüder Éric und Jean-François Tosti 2000 gegründet haben. Seit den ersten Kurzfilmen und Serien setzt das Trio konsequent darauf, statt etablierter Erfolgsmarken originelle Geschichten mit liebenswerten Figuren zu verfilmen, die sich auf bekannte Universen stützen. In diesem Fall entschieden sich die drei Animationskünstler für das antike Griechenland mit seiner Götterwelt und seinen Mythen.
Doch Alaux, der diesmal das Drehbuch schrieb und Regie führte, rückt nicht die Götter ins Zentrum der abenteuerlichen Heldenreise, sondern eine strebsame Maus mit ihren tierischen Freunden. Als paradigmatischer Underdog, der in der Schule für seine naiven Träume verspottet wird, gewinnt Pattie sofort die Sympathien der Zuschauenden. Mit seinem übervorsichtigen Ersatzvater Sam bildet Pattie ein liebenswertes Duo, dessen große Persönlichkeitsunterschiede während der ereignisreichen Odyssee immer wieder dramatische Funken zünden, aber auch witzige Momente hervorbringen. Auf der Argo ergänzt der schrullige einbeinige Seevogel Chickos das Außenseiterteam mit flotten Sprüchen.
Für reichlich Lacher sorgen auch die straff organisierten Ninja-Ratten, die in der Kanalisation leben und sich mit cleveren Diebeszügen an den Marktständen im Hafen mit Fischnachschub versorgen. Kurz vor der Abfahrt der Argo bilden sie zu schwungvoller Musik sogar in symmetrischen Mustern faszinierende Choreographien, die an die geometrischen Tanzformationen der Musical-Filme von Busby Berkeley aus den 1930er-Jahren erinnern.
Poseidon sagt „Hasta la vista“
Überhaupt haben Alaux und sein Team nach eigenen Angaben 50 Anspielungen und Zitate auf filmische Vorbilder in ihrem Film untergebracht. So erweisen sie „Jason und die Argonauten“ (1963) von Don Chaffey und „Sindbads siebente Reise“ (1958) von Nathan Juran, beides Filme mit den Spezialeffekten des Stop-Motion-Spezialisten Ray Harryhausen, ihre Reverenz. Sie zitieren aber auch die ikonische Schiffsbugszene aus „Titanic“ (1997) sowie Filme von Steven Spielberg, Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und den Aardman Studios. Nicht zuletzt sagt Poseidon bei seinen prahlerischen Auftritten mehrmals „Hasta la vista“ in Anspielung auf „Terminator 2 - Tag der Abrechnung“ (1991). Auf erwachsene Cineasten wartet also eine wahre Schnitzeljagd.
Eher zur Erheiterung des älteren Publikums dienen wohl auch Szenen auf der Meta-Ebene. Da versammeln sich die Götter im Olymp zu einer Art Vergnügungsparty samt Fitness-Übungen um eine Mini-Arena, die die Ereignisse auf der Erde abbildet. Mal kommentieren sie die irdischen Bestrebungen nur sarkastisch, mal leisten sie sich den anarchischen Spaß manipulativer Eingriffe.
Während die Verbündeten auf See nur eine Begegnung um einen verspielten Riesenkraken überstehen müssen, zieht die Regie mit der Ankunft auf der Insel das Tempo an. Dort werden Pattie & Co. mit einem Felsbrocken schleudernden Roboter, übergroßen Skorpionen, einer vielköpfigen Hydra und gefräßigen Zyklopen konfrontiert. Es geht also rund auf Trinatos! Wenn die schnelle Montage häufig zwischen drei Handlungssträngen hin- und herschneidet, dürfte vor allem jungen Zuschauenden die Orientierung schwerfallen. Im Streben um dramatische Effekte überspannt Alaux hier den Bogen.
Krake, Hydra und Zyklopen sind glatt
Auch die Animation wirkt stellenweise seltsam unausgewogen. Während etwa die Fellhaare von Pattie und Sam oder die Meereswellen so detailreich und natürlich aussehen, dass man sie gerne anfassen möchte, wirken die Oberflächen von Krake, Hydra und Zyklopen fast durchweg glatt, steril und wie aus Plastik geformt.