- RegieHeinz Emigholz
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer100 Minuten
- GenreDrama
- Cast
- TMDb Rating7/10 (1) Stimmen
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Filmkritik
Zwischen Be’er Sheva, Athen, São Paulo, Berlin und Hongkong ist so einiges aus der Umlaufbahn geraten. Zum Beispiel werden Träume mit Titeln geträumt. Sie heißen dann etwa „Der letzte Pfannenkuchen“ und handeln von Außerirdischen in Form von Pancakes, die sich irgendwann nicht mehr fortpflanzen können. Von Träumen ist in Heinz Emigholz’ in alle Richtungen wild wucherndem Essay überhaupt viel die Rede. So fällt etwa die nicht unbedingt naheliegende Frage, ob man seine Nationalität im Traum ändern kann. Ganz am Anfang des Films steht ein ehemaliger Filmemacher, der von einer Stadt träumt, die ständig ihren Ort wechselt und in der er Menschen in wechselnden Rollen begegnet. Womöglich ist „Die letzte Stadt“ ein Film, der sich selbst träumt. Denn genau so passiert es dann.
„Die letzte Stadt“ beginnt wie ein Sequel zu Emigholz’ letzten Film „Streetscapes (Dialogue)“. Darin folgte man einem Filmemacher und einem Psychoanalytiker bei einer hyperdichten Redekur in architektonischen Settings. Die Architektur tritt im aktuellen Film trotz einiger markanter Bauten (wie das von der brasilianischen Architektin Lina Bo Bardi gebaute Kunstmuseum in São Paulo) ein wenig in den Hintergrund; Ausgrabungsstätten, ruinöse Gebäude, urbane Randzonen und Graffiti bestimmen das Bild. Das „odd couple“ aus dem Vorgängerwerk, erneut von den Schauspielern John Erdman und Jonathan Perel verkörpert, macht aber genau da weiter, wo es aufgehört hat. Nur dass der Filmemacher inzwischen Archäologe ist und der Analytiker ein Waffendesigner.
Vom Wesen des Krieges zur Kollektivschuld
An ständig wechselnden Schauplätzen sprechen sie über die Liebe in der arabischen Kultur, das Wesen des Krieges und was Waffen mit Mode zu tun haben, bevor der Filmemacher in einer anderen Stadt einer jüngeren Version seiner selbst begegnet, die ihm allerdings nicht im Entferntesten ähnlich sieht. Dieser Doppelgänger tritt wiederum in einer anderen Stadt (Berlin) als schwuler Priester auf, der ein inzestuöses Verhältnis zu seinem als Polizist arbeitenden Bruder unterhält. Die Darstellerin der Mutter gibt den Staffelstab im Hongkong-Teil weiter. Hier bombardiert sie eine Japanerin, die sich schließlich als getarnte Deutsche entpuppt, mit einer systematischen und äußerst detailreichen Aufzählung von durch Japan verübten Kriegsverbrechen und nötigt sie nach einer Diskussion um Kollektivschuld zu einem splatterhaften Harakiri.
Die von Susanne Sachsse gespielte Fake-Japanerin ist im letzten Teil in der Rolle einer Kuratorin zu sehen. Als solche redet sie sich im Gespräch mit einem Kosmologen (auch dieser gespielt von Jonathan Perel, dem Darsteller des Waffendesigners) um Kopf und Kragen. Es geht um intelligente Zivilisationen, technologische Singularität, Exoplaneten, kopulierende Kröten – und, ja, auch um Kohlenstoff-Chauvinismus.
Gedanken vermehren sich in alle Richtungen
Gefilmt ist „Die letzte Stadt“ in dem für Emigholz charakteristischen Stil: Winkel und Einstellungsgrößen wechseln mitten im Gespräch, die Figuren hängen mitunter dicht an den Bildrändern, es gibt gekippte Perspektiven und Asymmetrien. Nacherzählen lässt sich das alles kaum. In unglaublicher Dichte reihen sich Gedanken aneinander, vermehren sich in alle Richtungen und treiben dabei wildeste Blüten. Anders als in „Streetscapes“ sucht Emigholz ganz bewusst die Berührung mit dem B-Movie – nur um das Genre in überkodierte Diskursfelder hineincrashen zu lassen. Heraus kommt dann zum Beispiel eine deutsch-japanische Schuldwurst.