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Filmkritik
Die Demeter erwartet ihre Verdammnis. Bevor die Crew die 24 großen Holzkisten an Bord hievt, in denen Dracula seine Reise nach London antritt, kennt man bereits ihr Schicksal. Das Logbuch des Kapitäns verrät, dass der Vampir sein Ziel erreicht hat; dass die Crew der Demeter für das Wesen, dessen Blutdurst die dünn besiedelten Karpaten nicht mehr stillen konnten, nur Nahrung ist. Mit diesem Wissen lernt man die Mannschaft, ihre Arbeit und das Schiff als sterbenden Mikrokosmos kennen.
Bereits im rumänischen Hafen steht die Routine im Schatten der Tragödie. Nicht weil das Leben der Männer besonders hoffnungsvoll oder beglückend wäre, sondern weil es ein einfaches Leben ist. Gegründet auf der harten Arbeit und der aus ihr geborenen Kameradschaft ist es angefüllt mit all den Ambivalenzen, die ein gewöhnliches Leben hervorbringt. Ein Dasein, das von Ruhestand, Idyll und der Familie am Festland träumt. Nichts davon, so weiß man schon jetzt, wird es für diese Menschen je wieder geben.
Erlösung und Verdammnis
Der klassische Querschnitt aus internationalen Raubeinen, die dieses tragische Schicksal erleiden, ist glänzend besetzt. David Dastmalchian und Stefan Kapicic füllen als erster Offizier Wojchek und wetterharter Seemann Olgaren ihre Rollen mit viel Charisma. Zu ihnen gesellen sich ein fundamentalistischer Schiffskoch (Jon Jon Briones), ein erfahrener Kapitän (Liam Cunningham) ein Hund, ein Kind und eine im Frachtraum verborgene Frau (Aisling Franciosi). Klassische Rollenbilder, die durch moderne Vorstellungen ergänzt werden.
„Die Letzte Fahrt der Demeter“ verschweißt die Motive aus dem „Dracula“-Roman von Bram Stoker elegant mit den ein paar Updates, Modifikationen und Illustrationen. Der Film streicht das Viktorianische samt seiner Rollen- und Geschlechtsbilder zusammen und dampft die Motive des Romans bis zur Essenz ein: zum Schrecken jenseits der Wissenschaft, jenseits von Gut und Böse, Erlösung und Verdammnis. Für die Wissenschaft steht der in letzter Minute angeheuerte Arzt Clemens (Corey Hawkins), der als junger, schwarzer Van Helsing manchmal allzu gelehrt, allzu weltgewandt und allzu modern den Protagonisten gibt.
Als Handlungsort transportiert die Demeter nicht nur die motivische Fracht des Romans, sondern auch die dem Genre dienliche Architektur. Regisseur André Øvredal spielt das gekonnt aus, lässt das Klopfen auf dem Deck grollend im Schiffskörper vibrieren, den gespenstischen Nebel an den Planken hochkriechen, das Krabbeln und Scharren der Ratten durch das Holz hallen und dann, wenn Dracula seinem mobilen Grab entsteigt, alles wieder verstummen.
Eine Bestie an Bord
Die Verdammnis, die sich bei Stoker wie Nebel über das Logbuch legt, um einen Seemann nach dem anderen verschwinden zu lassen, wird im Film zu Fleisch. Dracula (Javier Botet) ist hier kein Phantom. Er tritt nicht getarnt als kultivierter Graf auf. Die Demeter hat eine Bestie an Bord, deren Äußeres es unvorstellbar macht, dass sie je die Haut eines Menschen trug – ein Monstrum. Seine Opfer scheiden auch nicht gespenstisch aus dem Leben. Sie kämpfen um ihr Leben, ringen um Luft, gurgeln durch die zerfetzte Luftröhre oder verbrennen, vom Fluch des Monsters infiziert, in den Sonnenstunden unter Qualen zu Asche.
Das Drehbuch von Bragi F. Schut nimmt sich viel Zeit für die Tragik, und die Inszenierung viel Zeit für die Drastik. Beides findet im Unterschied zur Demeter in hoffnungsvolle Gewässer zurück, auch wenn dem Film eine konsequentere Ausrichtung sicher besser gestanden hätte. Dennoch fügen sich der moderne Horrorfilm und der schaurige viktorianische Roman auf diesem Schiff gut zusammen, das nie ankommen wird; ein winziger Kosmos, der das letzte ist, was das Leben für Männer, Frauen und Kinder, für Eigenbrötler, Familienväter, Wissenschaftler und Kapitäne, für die Menschen an Bord der Demeter bereithält.