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Filmkritik
Seit die Eltern von Balmani (Sunny Pawar) bei einem Erdbeben in Kathmandu ums Leben gekommen sind, lebt der Junge im Süden Nepals in einem Waisenheim, das von der einfühlsamen Hannah (Claudia Gerini) geleitet wird, die selbst eine Waise ist. Balmani fühlt sich dort aber nicht wohl, weil ihn die anderen Kinder hänseln. Deshalb will er auf eigene Faust in seine weit entfernte Heimatstadt zurückkehren.
Eines Nachts beobachtet Balmani, wie Wilderer eine Königstigerin erschießen und ihr Junges in einen Käfig sperren. In einem günstigen Augenblick befreit er das Jungtier. Mit viel Glück können beide den Wilderern und ihrem brutalen Anführer Samchai (Yoon C. Joyce) entkommen. Der Junge hat von seiner Mutter erfahren, dass es im Himalaya-Gebirge ein einsames Kloster gibt, dessen Mönche das „Tigernest“ betreiben, ein Refugium für verwaiste Tiger. Er beschließt, den jungen Tiger, den er Mukti nennt, dorthin zu bringen, damit dieser in Sicherheit aufwachsen kann.
Aus der Perspektive eines Kindes
Doch der Weg ist viele hundert Kilometer lang und äußerst beschwerlich. Unterwegs müssen die beiden viele Hindernisse überwinden und Gefahren aus dem Weg gehen. Dabei entwickeln sie schnell Vertrauen zueinander. Unterwegs treffen sie auf ein Nomadenmädchen und den Sohn eines Honigjägers, die ihnen weiterhelfen. Unterdessen sucht die Heimleiterin Hannah nach dem Ausreißer, zumal die Behörden ihr mit dem Entzug der Lizenz drohen. Schließlich spürt sie ihn im zerstörten Haus seiner Familie in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu auf. Balmani kann Hannah von seiner ehrgeizigen Mission überzeugen. Aber auch der Wilderer Samchai hat nicht aufgegeben und ist dem wertvollen Jungtier weiter auf der Spur.
Der italienische Regisseur Brando Quilici entfaltet in seinem ersten Spielfilm ein episches Stationendrama, das in Gestalt eines Road Movies Elemente von Abenteuerfilm, Familiendrama, Naturdokumentation und Coming-of-Age-Film vereint. Damit peilt er ein Familienpublikum an, auch wenn die vielen verspielten Szenen zwischen dem Jungen und dem Tiger meist aus einer niedrigen Kameraposition gefilmt werden und damit die Kinderperspektive betonen.
Dass Brando Quilici seit Jahrzehnten vor allem dokumentarische und historische Filme über Naturthemen für US-amerikanische Fernsehsender realisiert hat, ist dem fiktionalen Debüt deutlich anzumerken. Die eindrucksvollen Bildfolgen aus dem Dschungel von Chitwan, die Impressionen aus lärmigen Großstadtstraßen, eingeschobene Beobachtungen wilder Tiere wie Nashörner und Affen, vor allem aber die imposanten Aufnahmen von Himalaya-Berggipfeln, Wasserfällen, Höhlen und Schneeflächen des alten Königreiches Mustang sind allesamt sehr gekonnt aufgenommen.
Wo der begehrte Honig hängt
Einen visuellen Höhepunkt stellt die Sequenz um die Honigsucher dar, die zwei Mal im Jahr mit Strickleitern eine Steilwand erklimmen und hoch oben die Bienennester ausräuchern, um an den besonders seltenen und deswegen begehrten Honig zu kommen.
Für Schauwerte sorgen auch die Szenen mit dem kleinen Tiger. Wenn das putzige Jungtier mit Balmani herumtollt oder herzhaft in dessen Lederschuh beißt, sieht dies stets natürlich aus. Und wenn die beiden durch die abwechslungsreichen Landschaften ziehen, muss der Tiger auch keine andressierten Kunststücke vorführen.
Zwar hat Quilici fürs Drehbuch mit Hugh Hudson und Rupert Thomson zwei Routiniers engagiert, doch das episodisch strukturierte Skript schöpft das Potenzial der Heldenreise zu wenig aus. So verschwinden das Nomadenmädchen, der Honigsammlersohn oder eine Viehzüchtergruppe, die Balmani in einem Schneesturm das Leben rettet, so schnell wieder aus der Geschichte, wie sie aufgetaucht sind.
Showdown auf schwindeliger Höhe
Auch die Figurenzeichnung wirkt holzschnittartig bis unbeholfen, was beim karikaturenhaft überzeichneten Bösewicht Samchai am stärksten ins Auge fällt. Und auch der Showdown unweit des Klosters Taktshang, das in schwindelerregender Höhe auf einer Felsnase in Bhutan steht, ist mit einem unglaubwürdigen Rettungseinsatz des Jungtigers geradezu plump in Szene gesetzt. Zudem trägt die Filmmusik oft zu dick auf. Die Kritik an Wildtierjagd, illegalem Tierhandel und der Dezimierung von Arten ist zwar gut gemeint, fällt aber recht plakativ aus. Immerhin erfährt man im Abspann, dass weltweit nur noch 3.900 Tiger in freier Wildbahn leben.
Doch die Hauptdarsteller machen diese inszenatorischen Schwächen weitgehend wett. Der aus „Lion“ bekannte indische Jungstar Sunny Pawar verkörpert den mutigen Waisenjungen mit unbeschwerter Natürlichkeit. Und die italienische Schauspielerin Claudia Gerini mimt die aufopferungsvolle Heimleiterin mit so viel Leidenschaft, dass man gerne mehr Szenen mit ihr gesehen hätte.