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Filmkritik
Martha ist satt: Die Bohnen mit Speck schmecken ihr nicht mehr, so wenig wie das Leben an sich. Deshalb bettet sich die 80-Jährige aus dem Emmental auf die Daunenkissen, das Foto ihres verstorbenen Mannes in den Händen, und schließt die Augen – sie hofft für immer. Der liebe Gott und Marthas Freundinnen Lisi, Hanni und Friede aber haben andere Pläne. Mit Gehstock und Lavendel getränktem Taschentuch gehen die Frauen mit Martha nach Bern – sie gönnen sich ja sonst nichts. Der obligatorische Kaffeeklatsch in der Hauptstadt ist mit Kirschlikör durchsetzt und macht den Damen neben den roten Wangen so richtig gute Laune. Dabei kommt Martha eine wunderbare Schnapsidee, mit der die ehemalige Schneiderin neuen Lebenswillen tankt: Zur Feier des Tages denkt sie einmal nur an sich und erinnert sich an ihren Traum, den sie als „Blaustrumpf“ so oft träumte: eine eigene Lingerie-Boutique in Paris zu besitzen. Warum nicht jetzt? Warum nicht in Trub? Die Frauen geraten so richtig in Fahrt und lassen sich nicht mehr bremsen. Der Gemischtwarenladen von Marthas Mann wird entrümpelt, Spitzen und Seide werden gekauft, die Nadel wird gezückt. Doch mit dem ersten BH in Marthas Schaufenster steht die Kirche nicht mehr im Dorf. Der Pfarrer läuft ebenso wie der Sektionspräsident der konservativen Land- und Leutepartei Sturm gegen die Reizwäsche. Doch beide kommen in ihrem Toben nicht sehr weit, nicht zuletzt, weil die Söhne die Rechnung ohne ihre Mütter Martha und Hanni gemacht haben. Es wird einem richtig heimelig in „Die Herbstzeitlosen“, und das, obwohl Bettina Oberlis Heimatfilm weit weg von der schwülstigen Schwere der Gotthelf-Filme aus den 1950er-Jahren angesiedelt ist. Dazu denkt die 33-jährige Regisseurin trotz ihrer Wurzeln im Emmental schlicht zu modern, auch wenn sie und ihre Co-Autorin Sabine Pochhammer die Komödie als eine Hommage an ihre Großmütter und deren Generation verstehen. Oberli bindet mit ihrem zweiten Spielfilm allen Frauen ein Blumenkränzchen, die ihr Leben lang immer nur an andere und nie an sich gedacht haben – und wenn, dann nur zu guter Letzt. Neben der mittlerweile 85-jährigen Gotthelf-Veteranin Stephanie Glaser in der Hauptrolle konnte Oberli weitere „Sterne“ des Schweizer Filmhimmels von ihrem Projekt überzeugen, u.a. Hanspeter Müller, Annemarie Düringer oder Monica Gubser. Das Ensemble verleiht dem ursprünglich als Fernseharbeit angelegten Mundartfilm so viel Würde, dass es „Die Herbstzeitlosen“ völlig zu Recht auf die Kinoleinwand geschafft hat. „Ein unerwartetes Geschenk“, wie Oberli findet. Ihr Film ist auch ein Geschenk an die Zuschauer, obwohl oder gerade weil die etwas holzschnittartige Dramaturgie konsequent auf einem für fast alle Beteiligten glückliches Ende besteht. Die Welt darf auch einmal gerecht sein – spätestens wenn das Laub von den Bäumen fällt und die Sonne durch die Äste scheint und nicht nur die Gemüter von Martha und ihren Freundinnen wärmt.