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Filmkritik
Die kleine Mischlingshündin hat eine große schwarze, herzförmige Nase, und auch der bezaubernde Zeichentrickfilm von Anca Damian, der tief in die Seele eines Hundes blicken lässt, hat ein immens großes Herz; er berührt mit seinen großen philosophischen Fragen und Lebensweisheiten, spielt aber auch immer wieder so wunderschön mit ineinanderfließenden Farben und Formen, dass es eine wahre Freude ist.
Dabei beginnt „Die fabelhafte Reise der Marona“ alles anderes als fröhlich. Ein Hund läuft auf die Straße und wird von einem Auto überfahren. Während ein Mädchen weinend zu ihm läuft und sich neben ihn legt, beginnt die sterbende Hündin über den Film ihres Lebens zu erzählen, der gerade an ihrem inneren Auge vorüberzieht. „Das ist der Nullpunkt vom Nullpunkt. Wenn du zum Nichts wirst. Nichts als ein Fleck auf dem Asphalt. Ohne Vergangenheit, ohne Namen, ohne Zukunft.“ Ganz sanft, ruhig und bedächtig klingt die weibliche Erzählstimme –auch in der deutschen Synchronfassung –, die von nun an durch den Film führt.
Von einem zur anderen
Als „Welpe Nummer 9“ stellt die Mischlingshündin aus Dogge und wer-weiß-was sich zunächst vor. Sie hat keinen Namen, weil sie nur ein Hund von vielen ist. Geliebt wird sie von ihren Eltern trotzdem, bis man sie weggibt. Die erste Station führt die Hündin zu dem Artisten Manole, der balancieren kann, gestreifte Kleidung trägt und ihr zum ersten Mal einen Namen gibt: Ana. Die Hündin ist glücklich wie noch nie, ihr Leben scheint perfekt. Doch als Manole ein Angebot erhält und Teil einer Zirkustruppe wird, zerbricht die Freundschaft. Manole darf Ana nicht mitnehmen und muss sich entscheiden.
Der Arbeiter Istvan liest Ana auf und tauft sie auf den Namen Sara. Zunächst soll sie bei seiner Mutter leben, doch ein Zwischenfall bringt Sara in große Gefahr; Istvans Frau betrachtet Sara eher als modisches Accessoire denn als Lebewesen. Schließlich landet Sara bei einem einsamen Mädchen, das zunächst überglücklich ist, aber als Teenagerin mit der Hündin, die sie Marona nennt, kaum noch etwas anfangen kann.
Alles ändert sich und fließt
Meisterhaft demonstriert „Die fabelhafte Reise der Marona“ immer wieder, was erzählerisch im Animationsfilm alles möglich ist. Der Realismus, die Imitation der Realität oder einer realistisch anmutenden Welt, der in den meisten gegenwärtigen Animationsfilmen zu finden ist, fehlt hier komplett. Die Formen sind immerzu flexibel und flüssig, sie können sich verändern und zu etwas Neuem werden, die Figuren können sich ebenso verformen, auflösen, wieder zusammensetzen; es entstehen Muster aus dem Nichts und verschwinden wieder. Doch all dies geht nicht zu Lasten der Handlung und ist auch nie selbstzweckhaft; die experimentelle, verspielte Animation verleiht dem Film vielmehr einen ganz eigenen Rhythmus und entfaltet im Zusammenspiel mit der mal kontemplativen, mal treibenden Musik eine soghafte Wirkung.
„Die fabelhafte Reise der Marona“ kann für ein junges wie für ein erwachsenes Publikum ein Augenöffner zugleich sein, weil er eine ungewohnte Seherfahrung bietet und nur so überquillt an Themen. Ganz zentral geht es um das Glück. Für die Hündin ist es ein Glück, wenn sie von der nassen Zunge ihrer Mutter abgeleckt wird, aber auch, wenn sie einen Namen erhält und damit als Individuum wahrgenommen wird. Und besteht nun das große Glück darin, wenn alles so bleibt, wie es ist – die Hündin liebt die Beständigkeit und Sicherheit –, oder wenn sich immer neue Optionen eröffnen, denen man nachjagen kann? Vom Träumen jedenfalls hält die Hündin nicht viel, weil es den nie zufriedenen Menschen immer wieder zum Verhängnis wird.
Mehr als nur ein Fleck auf dem Asphalt
Ein Happy End im üblichen Sinne wartet tatsächlich nicht auf Marona. Aber wenn der Abspann läuft, dann ist von Marona eine ganze Menge mehr geblieben als nur ein Fleck auf dem Asphalt. Sie hat das Leben der Menschen in ihrem Umfeld bereichert. Ein Hundeleben als Einladung, über den Sinn des Lebens nachzudenken – wie großartig!