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Filmkritik
"Die Brücken am Fluß" war ursprünglich ein Steven-Spielberg-Projekt. Der durch "Schindlers Liste" (fd 30 663) zu spätem künstlerischem Ruhm gelangte Erfolgsregisseur hatte stets ein Gespür für kinoattraktive Sentimentalität; es erstaunt deshalb nicht, daß er jenen Roman einer verbotenen Liebe im ländlichen Iowa des Jahres 1965 für sich entdeckte, den der einstige Wirtschaftsprofessor und heutige Hobby-Rancher Robert James Waller verfaßt hat. Als Spielberg sich entschloß, nach "Schindlers Liste" erst einmal zu pausieren, kamen Bruce Beresford und Sydney Pollack als Regisseure ins Gespräch. Lange Zeit stand nur der Hauptdarsteller fest, Clint Eastwood, den die Produzentin Lili Zanuck mit einem verführerischen Telefongespräch angelockt hatte: "Lies das Buch! Du kommst darin vor."
Der einsame, wortkarge Held zahlreicher Western und der einsame, wortkarge Fotograf Robert Kincaid - stärker als in Wallers Roman, der nicht mehr als eine raffiniert emotionalisierte Illustriertenstory ist, kommen die beiden im Film zusammen. In diesem Film, den Eastwood schließlich auch inszenierte und für den er sich Meryl Streep als Partnerin wählte. Es ist einer jener Filme, die mit einem Minimum an Handlung auskommen, m denen Gefühle alles sind und die an jeder kleinen Unsensibilität des Regisseurs oder der Darsteller scheitern können. Robert Kincaid, ein Landschaftsfotograf für "National Geographic", stößt bei der Ausführung eines ziemlich routinehaften Auftrags im weiten Farmland von Iowa auf die Farmersfrau Francesca, die vor Jahrzehnten einem amerikanischen Soldaten aus ihrer italienischen Heimat als Ehefrau gefolgt ist. Mann und Kinder sind gerade für vier Tage abwesend, und so hat sie Zeit und Muße, dem sympathischen Fremden den Weg zu zeigen. Sie beobachtet ihn bei der Arbeit, sie lädt ihn zum Essen ein, sie kommen ins Gespräch. Als die beiden sich am nächsten Tag wiedersehen, ahnen sie längst, daß es diesmal nicht beim Gespräch bleiben wird. Doch wenn Kincaid später sagt, daß einem so ein Erlebnis nur einmal im Leben widerfahren könne, dann ist das fast schon die leidenschaftlichste Beschreibung, die diese Romanze im Film erfährt. Im Gegensatz zu Steven Spielberg ist Clint Eastwood kein Mann breitgetretener Gefühligkeit.
Was am meisten für "Die Brücken am Fluß" einnimmt, ist die Reserviertheit, mit der Eastwood die höchst private Geschichte erzählt. Dieser Robert Kincaid nimmt in der Tat immer mehr die statuarische Haltung und die einsilbige Aufrichtigkeit seines Darstellers an. Und die Höhepunkte des Films sind nicht stürmischer Sex oder doch zumindest die emotionale Befriedigung lange aufgestauter Gefühle, es sind vielmehr ein paar Szenen dezenter, fast möchte man sagen puritanischer Intimität, in denen Worte, Gesten und die kühlen Emotionen einer alten Johnny-Hartman-Ballade ("I See Your face Befor Me") den Ton angeben. "Die Brücken am Fluß" ist ein altmodischer Film, insofern er mehr von unterdrückten als von realisierten Gefühlen handelt, mehr vom Preis der Monotonie und der Erwartung als von der Erfüllung eines Traums, mehr von Zweifeln als von Leidenschaft. Die Szenen der Annäherung spielen in glänzendem Sonnenlicht, die der (verhaltenen) Ekstase in kaum durchdringbarem Halbdunkel.
So beeindruckend dieses Konzept in einer Zeit übertriebener Ausbeutung des Intimen auch ist, so wenig vermag es den Film über mehr als zwei Stunden zu tragen. Clint Eastwood inszeniert ein atmospärisches Zwei-Personen-Stück, in dem es ihm auch, aber nicht allein um die Allgewalt überschwänglicher Gefühle geht, m dem die Charaktere aber gleichsam in der Luft hängen, weil sie nicht durch einen ausreichenden Hintergrund gestützt werden. Das Äußerste, was man über Kincaid erfährt, ist eben, daß er ein Einzelgänger ist, der in der Welt herumkam, aber nie eine private Bindung einging. Und Francescas Lebensgeschichte verbleibt mangels individualisierender Details im pauschalen Zwielicht der unerfüllten Farmersfrau. Der bewegungslose Klotz, der in wenigen kurzen Szenen als ihr Mann vorgestellt wird, trägt zur Motivation der Geschichte ebensowenig bei wie die erstaunlich hölzerne und mit zuviel moralischem Katzenjammer befrachtete Rahmenhandlung, in der Francescas längst erwachsene Kinder nach dem Tod der Mutter von deren Affäre mit Kincaid erfahren.
Daß Eastwood an "Die Brücken am Fluß" letztlich gescheitert ist, liegt nicht zuletzt an der Ambivalenz, mit der er eine Vorlage zu inszenieren versucht, die eben genau jene differenzierte psychologische Beschreibung nicht ist, die er in ihr gesehen haben mag. Trotz aller Sorgfalt und Dezenz, die sein Autor Richard LaGravenese m Wallers gefühlsträchtiges Stück Konsumliteratur investiert hat, rennt Eastwood mit seinem Konzept einer subtileren Hinterfragung von Personen und Motiven gegen die Barrikaden einer allzu simpel konstruierten Story an, die an nichts anderem als der Beschreibung einer erotischen Leidenschaft interessiert ist. Man kann nicht umhin zu bewundem, wie sensibel Eastwood mit diesem eindimensionalen Stoff umgeht, welche Nuancen er der kaum sonderlich originell entworfenen Zweierbeziehung abgewinnt, doch richtig zusammen kommt er mit dieser Vorlage nicht. Letztlich ehrt ihn das, wie auch der Versuch, mit der formalen Konzeption des Films der veräußerlichten Kurzatmigkeit des immer mehr von kommerziellen Produkten und MTV-Kultur beeinflußten Hollywood-Kinos eine Absage zu erteilen. Ein Rätsel bleibt nur, warum er sich zu diesem Projekt so hingezogen fühlte. Steven Spielberg mit seiner Affinität fürs Sentimentale hätte daraus wahrsheinlich einen überzeugenden, wenn auch weniger ambitionierten Film gemacht.