- RegieRoman Kuhn
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer91 Minuten
- GenreDokumentarfilm
- Cast
- AltersfreigabeFSK 16
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die Fotografin (Antje Traue) ist schon eine Weile im belagerten Sarajewo unterwegs, hat aber noch kein einziges brauchbares Bild geschossen. Sie ist entweder zu früh oder zu spät, zu nah dran oder zu weit weg; das „Gefühl“ stimmt einfach nicht. Der Agenturchef macht Druck; ein raubeinig auftretender Kollege rät, sie solle besser nach Hause fahren. Eher beiläufig macht sie Fotos in einem Park. Es ist fast unheimlich friedlich dort, vom Krieg ist nichts zu spüren – bis eine Bombe einschlägt. Ein kleines Mädchen, das gerade noch fröhlich in die Kamera gelacht hat, ist plötzlich tot. Blutverschmiert liegt es auf der Erde, umringt von den verzweifelten Eltern. Die Fotografin sucht deren Blick, erhält das Einverständnis und macht ihr Bild. Es wird um die ganze Welt gehen.
Sie findet die Seele der Menschen
„Die Bilderkriegerin“ inszeniert diesen Moment als eine Art Geburtsstunde der Fotojournalistin Anja Niedringhaus (1965-2014). Vor allem mit ihren Fotoreportagen aus Kriegsgebieten in Jugoslawien, Afghanistan und dem Irak erlangte sie Berühmtheit. „Sie findet die Seele der Menschen, die sie fotografiert“, sagt ein Kollege in einem der Interviewschnipsel, die die spielfilmhafte Handlung dokumentarisch einbetten.
Die Bilder von Anja Niedringhaus haben eine starke Präsenz: ein Junge, der in Kabul mit Maschinengewehr in der Hand Kettenkarussell fährt, verhaftete Iraker, die im Abu-Ghraib-Distrikt von US-Soldaten buchstäblich in die Knie gezwungen werden, George W. Bush mit Truthahn (ein Überraschungsgeschenk an die Soldaten in Bagdad zum Thanksgiving-Fest), aber auch Alltagsszenen von Frauen und Kindern. Sie fotografierte unter anderem für die „New York Times“ und das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“, oft mitten aus dem Kriegsgeschehen, etwa innerhalb der US-Armee als „embedded journalist“ im Irak.
2005 erhielt sie als erste deutsche Frau den renommierten Pulitzerpreis. Als Niedringhaus 2014 in Afghanistan unterwegs war, um über die Präsidentschaftswahl zu berichten, wurde sie bei einem Anschlag erschossen. Sie war 48 Jahre alt.
Der Touch eines Agenten- und Kriegsthrillers
Vor allem im ersten Teil verströmt „Die Bilderkriegerin“ den Touch eines Agenten- und Kriegsthrillers. Ahnungslos kommt die Mittzwanzigerin in Sarajewo an; es gibt keinen Strom, kein Wasser, die Stadt ist unter ständigem Beschuss. Als einzige Frau in der Gesellschaft von Männern muss sich das „Mädchen“ einiges anhören. Mit ihrer etwas naiven Idee, den Krieg mit ihren Fotos beenden zu können, erntet sie spöttische Kommentare. Doch es dauert nicht lange, bis sie sich durch Hartnäckigkeit und gute Arbeit Anerkennung verschafft.
Regisseur Roman Kuhn setzt in „Die Bilderkriegerin – Anja Niedringhaus“ auf bekannte Genreformeln und schlichte Sätze; auch das tagebuchartige Voiceover der Protagonistin produziert ähnlich wie die Interviewcollage überschriftenartige Häppchen. Der Film navigiert unentschieden zwischen biografischem Porträt und Dokudrama; beides wirkt mehr an eine gelebte Erfahrung angepappt, als dass es je ein Eigenleben gewinnen würde. Nur der Parcours durch die Krisen und Kriege der letzten Jahrzehnte besitzt eine irritierende Aktualität. Würde Anja Niedringhaus noch leben, wüsste man wohl, wo sie heute bei der Arbeit zu finden wäre.