Basiert auf Rüdiger Bertrams Roman „Der Pfad – Die Geschichte einer Flucht in die Freiheit“.
Vorstellungen
Filmkritik
Rolf Kirsch (Julius Weckauf) ist ein fantasiebegabter Junge. Sein Lieblingsbuch ist „Der 35. Mai oder Konrad reitet in die Südsee“ von Erich Kästner, und Rolf erklärt auch, warum: Alles ist möglich in Kästners Geschichten, auch, dass man in einem Schrank verschwindet und woanders wieder herauskommt. Das ist eine schöne Metapher dafür, dass der Junge im Kriegsjahr 1940 gerne der Realität entflieht. Rolf ist mit seinem Vater, dem Journalisten Ludwig Kirsch (Volker Bruch), aus Deutschland über Paris nach Marseille geflohen. Seine Mutter Katja (Anna Maria Mühe) wartet bereits in New York; sie konnte noch mit dem Schiff entkommen. Doch das ist Wochen her. Jetzt bleibt Vater und Sohn nur die Möglichkeit, von Südfrankreich über die Pyrenäen nach Spanien zu fliehen.
Mit dabei ist Rolfs Terrier Adi, dessen Name immer wieder zu irritierten Nachfragen führt. Im Grenzort Banyuls-sur-Mer werden sie von Schleusern empfangen. Auf dem beschwerlichen Fußweg über die Berge soll sie die erst zwölfjährige Núria führen, deren Eltern als Partisanen im spanischen Bürgerkrieg umkamen. Núria spricht kaum Deutsch. Trotzdem macht sie Vater und Sohn klar, dass Adi nicht mitkommen kann. Was, wenn er kläfft? Rolf versteckt den mit Alkohol betäubten Hund kurzerhand in seinem Rucksack. Das ist ein fataler Entschluss, den er noch bereuen wird.
Auf einem alten Schmugglerpfad
„Der Pfad“ beruht auf dem gleichnamigen Jugendroman von Rüdiger Bertram, der seinerseits auf den Erinnerungen „Mein Weg über die Pyrenäen“ von Lisa Fittko fußt. Fittko, eine deutsche Exilantin, schildert darin, wie sie 1940 und 1941 gemeinsam mit ihrem Mann Hans zahlreichen Flüchtlingen half, von Frankreich nach Spanien zu gelangen. Ein alter Schmugglerpfad diente als Route, den auch der von den Nazis verfolgte Walter Benjamin benutzte, auch wenn der sein Ziel nicht erreichte und sich aus Furcht vor der Auslieferung an die Gestapo das Leben nahm.
Es geht also um Flucht und Vertreibung, um Zusammenhalt und Solidarität. Am Schluss stellen die Filmemacher einen Bezug zur aktuellen Flüchtlingskrise her, der ihnen besonders wichtig ist: Unter den Millionen Flüchtlingen, die jetzt nach Europa wollen, sind viele Kinder. Allerdings wird der Film diesem Anspruch nicht immer gerecht. Die Dramaturgie ist seltsam unausgereift, den Begegnungen mit französischen Polizisten bei einer Razzia in Marseille und bei der Passkontrolle im Zug oder mit deutschen Besatzungssoldaten in den Bergen fehlt die Spannung. Die emotional aufgeladene Musik des Soundtracks und die Schönheit der Berglandschaft sollen die Gefühle der Zuschauer lenken, anstatt die Gefahren der Reise spürbar zu machen. Das gilt auch für den niedlichen Hund, dessen Bedeutung als emotionales Bindeglied zwischen den Menschen und als Katalysator für die dramatischen Ereignisse viel zu sehr betont wird.
Wie man sich aufeinander verlassen kann
Wie Kinder mit Flucht umgehen oder auf Extremsituationen reagieren, weiß der Film nur wenig zu sagen. Immerhin bemüht sich Regisseur Tobias Wiemann, jegliche Schwarz-weiß-Zeichnung zu vermeiden. Ob man den Menschen ansehen könne, ob sie gut oder böse seien, will Rolf von seinem Vater wissen, während sie Familien beim Sonnenbaden am Strand beobachten – mit durchaus überraschenden Ergebnissen.
Am überzeugendsten ist „Der Pfad“ immer dann, wenn er sich auf die Geschichte zweier Kinder konzentriert, die erst noch lernen müssen, sich gegenseitig zu vertrauen und aufeinander zu verlassen.