Vorstellungen
Filmkritik
Berlin 1942. Cioma Schönhaus ist Jude, jung, gutaussehend und charmant. Wie selbstverständlich bewegt er sich mitten in der Höhle des Löwen durch die Reichshauptstadt, in der die Nazis den Krieg steuern und den Holocaust planen. Doch Cioma lässt sich die Laune nicht verderben. Anstatt sich zu verstecken, speist er in Restaurants und besucht Bars; er fährt mit gefälschter Kennkarte in der Straßenbahn und geht ins Kino. Er gibt sich als Soldat auf Heimaturlaub aus und kriegt so die Frauen rum.
Louis Hofmann spielt diesen Cioma Schönhaus in „Der Passfälscher“ als leichtsinnigen Filou, der sich mit Chuzpe und Einfallsreichtum durchs Leben schlägt. So ganz klar ist dabei nicht, ob er sich mit dieser Sorglosigkeit bewusst gegen die Nazis stellt oder nur gedankenlos seinem Hedonismus frönt. Ist er sich der Gefahr nicht bewusst? Oder liebt er das Risiko? Ist er ein Opportunist? Oder wünscht er sich insgeheim zu scheitern? Das Lächeln in Hofmanns Gesicht schlägt mitunter in Ratlosigkeit um; besser lassen sich die Ambivalenz und die Widersprüche seiner Figur nicht ausdrücken.
Eine Kunst, die Leben rettet
Eigentlich hatte Cioma Grafiker werden wollen; er kann zeichnen. Dieses Talent nutzt er nun, um im Auftrag des Widerstandskämpfers Franz Kaufmann (Marc Limpach) Pässe zu fälschen, mit denen zahlreiche Verfolgte des NS-Regimes aus Deutschland fliehen können. Einmal wird das Fälschen als Kunst bezeichnet, als Kunst, die Leben rettet. Cioma beherrscht dieses Handwerk immer besser; als Gegenleistung erhält er Lebensmittelkarten, die ihm – zusammen mit dem Verkauf seines Hausstandes – ein Auskommen garantieren.
Mit seinem Freund Det (Jonathan Berlin) genießt er das Nachtleben und lernt die schöne Gerda (Luna Wedler) kennen. Doch plötzlich wird Kaufmann denunziert und Cioma von der Gestapo mit Steckbrief gesucht.
Cioma Schönhaus hat es wirklich gegeben. Er gehörte zu den etwa 7000 Juden, die in Berlin während des Krieges untertauchten; nur 1700 von ihnen haben überlebt. Vielen hat Schönhaus mit seinen gefälschten Pässen geholfen; er hat sich auch selbst gerettet und konnte kurz vor seiner Entdeckung in die Schweiz fliehen, wo er 2015 im Alter von 92 Jahren starb. Elf Jahre vorher erschien sein autobiografischer Bericht, den Maggie Peren als Autorin und Regisseurin nun adaptiert.
Das führt fast zwangsläufig dazu, dass der Film ganz aus der Sicht von Schönhaus erzählt ist. Der Krieg bleibt außen vor: Keine Bomben und keine Zerstörungen, kein Hunger und keine Toten. Selten einmal ertönen Alarmsirenen oder spielen Szenen auf der Straße. „Der Passfälscher“ ist ein Film der Auslassungen und Andeutungen. Diese Abwesenheit des Krieges und der NS-Gräuel nimmt Peren bewusst in Kauf. Sie konzentriert sich ganz auf das Porträt eines Überlebenskünstlers, der sich zwischen Hallodri und Held trotz Schikanen und Verfolgung einen unerschütterlichen Optimismus bewahrt. Ein Jude nicht als Opfer, sondern als Schelm: diese Ambivalenz macht die Figur des Cioma Schönhaus so interessant.
Gier und Schuld der Deutschen
Darüber hinaus ist der Film auch die Geschichte einer großen Freundschaft, denn ohne die Fürsorge von Det könnte Cioma in manchen Situationen nicht bestehen. Seine verhaltene Spannung bezieht der Film aus der Frage, ob Cioma gefasst wird oder nicht. Peren schildert seinen Alltag in Innenräumen, die stets auch Schutz- und Rückzugsräume sind: in der Rüstungsfabrik, in der Cioma kurzfristig arbeitet und so seiner Deportation entgeht, den Restaurants, in denen er neben Nazi-Größen sitzt, in der Straßenbahn, die er unvorsichtigerweise benutzt, oder der Wohnung, die immer leerer wird.
Gerade in diesen Szenen wird der Antisemitismus und Rassismus der deutschen Bevölkerung deutlich. Obwohl die Nazis die Möbel der Familie Schönhaus schon beschlagnahmt haben, versucht eine habgierige Nachbarin sie schamlos dennoch an sich zu reißen. Eine monströse Figur, die von Nina Gummich ins Extrem getrieben wird. Die These von der Kollektivschuld der Deutschen: Hier ist sie einmal schmerzhaft anschaulich.