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Filmkritik
Die Büffel sind nicht aufgetaucht; die Jagd fällt aus. Für die Mescalero-Apachen steht ein schwerer Winter bevor. Außerdem ist Winnetou auch noch dafür verantwortlich, dass das Zelt mit den Vorräten abbrennt. Die Indianer müssen ihr Lager verlassen und sich einen neuen Ort suchen, wo sie die kalten Monate durchstehen können.
„Der kleine Häuptling Winnetou“ beginnt mit einer existenziellen Krise, wobei sich der Häuptling Intschu tschuna (Mehmet Kurtuluş) auch noch damit herumschlagen muss, dass sein zwölfjähriger Sohn Winnetou (Mika Ullritz) sich immerzu selbst beweisen will, aber noch so gar nicht bereit ist, andere anzuführen.
Dann aber erzählt der kleine Pferdedieb Tom Silver (Milo Haaf) dem Jungen, das er herausfinden könnte, wo die Büffel hingeraten sind. Da Intschu tschuna davon nichts wissen will, macht sich Winnetou zusammen mit Tom heimlich auf den Weg, wobei ihnen seine Schwester Nscho-tschi (Lola Linnéa Padotzke) hilft. So kommen sie den Machenschaften des Gangsters Todd Crow (Anatole Taubman) auf die Spur, der nicht nur für das Verschwinden der Büffel verantwortlich ist.
Es steckt viel Karl May im Film
Es steckt viel Karl May in dieser Geschichte, doch passt sie damit noch ins 21. Jahrhundert? Oder, um es präziser auszudrücken, passt dies noch zum Zielpublikum? Sam Hawkens hat, ebenfalls als kleiner Junge, einen beharrlichen Gastauftritt, wobei er jeden Satz mit „wenn ich mich nicht irre“ beendet, so als habe sich die schräge Figur aus dem Umfeld von Old Shatterhand diesen Tick schon als Kind angeeignet.
Das zielt eindeutig auf die Eltern und deren Sozialisierung vor dem Fernsehbildschirm, auf dem Ralf Wolter seinerzeit den „comic relief“ geben durfte. Was natürlich auch auf Winnetou und das ganze Karl-May-Universum zutrifft.
Der deutsche Kinderfilm mit großem Budget wird derzeit gerne auf etabliertem Terrain errichtet. Da wird von der „Burg Schreckenstein“ erzählt, die „Häschenschule“ nach hundert Jahren aus dem Osternest gefischt, „Peterchens Mondfahrt“ erneut und sogar „Immenhof“ eher schlecht als recht reanimiert.
Solche Geschichten sprechen zunächst eher die Eltern als deren Nachwuchs an. Was in der eigenen Kindheit erfreut hat, wird den Kids heute schon auch gefallen, lautet der Gedankengang dahinter.
Gut und böse auf beiden Seiten
Regisseur Mike Marzuk kennt sich in diesem Feld aus, hat er seit 2012 doch fünf „Fünf Freunde...“-Filme auf die Leinwände gebracht. Der recht altbackene Exotismus, der etwa in seinem in Ägypten angesiedelten „Fünf Freunde 4“ zum Vorschein kam (der Film eiferte darin zu sehr „Indiana Jones“ nach), ließ für „Der junge Häuptling Winnetou“ aber nicht eben Gutes erwarten.
Dass nahezu alle Rollen, von den Mescaleros bis zum Sheriff, von Menschen mit blütenweißer Hautfarbe gespielt werden – nun ja. Dafür verzichtet das von Marzuk zusammen mit Gesa Scheibner verfasste Drehbuch darauf, die Apachen als „edle Wilde“ à la Karl May zu präsentieren oder den moralischen Kontrast zu den verdorbenen „Bleichgesichtern“ zu betonen. Es gibt Ehrenhafte und weniger Ehrenhafte auf allen Seiten; den einzigen richtigen Bösewicht spielt Anatol Taubman mit großer Hingabe und Übertreibung.
Er ist eine befreiende Ausnahme in einem Film, der ansonsten fast nur die Stereotype des Westernkinos wiederkäut, vom unkontrollierbar dahinrasenden Planwagen über die trotteligen Ganoven bis hin zur weisen Ältesten (Hildegard Schmahl). Wenn Intschu tschuna Anweisungen gibt, verfällt er in jene ins Geheimnisvolle überhöhte Sprache, die man aus vielen deutschen Western ungut in Erinnerung hat: „Der Rat soll in den heiligen Höhlen zusammenkommen“, sagt er dann, oder er spricht von der Zeit „bis zum nächsten Mond.“
Es knirscht dann allerdings heftig im Sprachgetriebe, wenn Tom Silver seinem neuen Mescalero-Freund flapsig vorschlägt: „Einigen wir uns auf unentschieden“; oder Winnetou, der plötzlich lateinische Nomenklatur nach Linné studiert zu haben scheint, Tom ein Pflanze mit den Worten „Hier. Wir nennen es Aloe Vera“ reicht.
Gedreht in Andalusien
Solche Brüche auf der Sprachebene („Sorry, Allergie“) oder in den Erzählweisen sorgen dafür, dass „Der junge Häuptling Winnetou“ zuweilen wie eine Parodie wirkt („Ich bin ein Bandit, du bist ein Bandit – wir wünschen einen guten Aaaappetit“), wenngleich es doch nur der Versuch ist, die Bösewichte nicht zu böse erscheinen zu lassen und die Hauptfiguren sprachlich in die Gegenwart zu holen.
Das führt zu einem Film, der wie ein schlecht genähtes Kleidungsstück an allen Ecken und Enden ausfranst und auseinanderfällt. Das ist schade, weil sich dahinter doch ein ganz passables Abenteuer verbirgt und ein paar aufregende Actionsequenzen, die alles in allem recht glaubwürdig in Szene gesetzt und mit viel Aufwand auf die Leinwand gebracht sind, klassische Drehorte in Andalusien inklusive.
Vielleicht hätte dem Film eine entschlossenere Bewegung hin zum zeitgenössischen Western gutgetan; vielleicht wäre es auch sinnvoll gewesen, sich von Karl May ganz zu lösen und eine solche Abenteuergeschichte komplett in die Gegenwart zu verlegen. Denn so leidet der „Der junge Häuptling Winnetou“ vor allem an Unentschlossenheit und mangelnder Konsistenz.