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Filmkritik
Als Schauspieler weiß man, dass es oft spannender und lohnenswert ist, den Bösewicht oder den Unhold einer Story zu spielen als den eigentlichen Helden. Mephisto ist faszinierender als Faust, er stiehlt Faust die Show. In der Story vom Brandner Kaspar ist es der „Boandlkramer“ (bayrisch für „Gevatter Tod“), der den Titelhelden in den Schatten stellt. 1871 veröffentlichte Franz von Kobell in den „Fliegenden Blättern“ seine Mundart-Novelle „Die G‘schicht vom Brandner Kaspar“. Darin geht es um den Wilderer und „Kleinhäusler“ Kaspar Brandner, der den Boandlkramer, als der ihn abholen will, „mit Kerschgeist lallert macht“, also mit Kirschschnaps abfüllt und beim Kartenspiel betrügt, sodass er bis zu seinem 90. Geburtstag weitere 18 Lebensjahre für sich erlistet.
Ein Weißwurstfrühstück im Himmel
Gern erzählt man sich in Märchen und Legenden, dass Tod und Teufel bisweilen doch überlistet werden können. Einige Dramatisierungen und Verfilmungen haben so auch die Beliebtheit der Brandner-Kaspar-Geschichte und ihrer Boandlkramer-Figur angezeigt. Vor allem Kurt Wilhelms Bearbeitung fürs Münchner Residenztheater, „Der Brandner Kaspar und das ewig‘ Leben“ (1985), geriet mit mehr als tausend Aufführungen zum unvergleichlichen Erfolg. Die Fernsehfassung von Deutschlands erfolgreichstem Theaterstück avancierte zur einmal jährlich ausgestrahlten Kultsendung des Bayrischen Fernsehens.
Der phänomenale Erfolg verdankte sich dem satirischen Witz der Inszenierung, der prächtigen Darstellerriege, insbesondere dem hinreißenden Toni Berger in der Boandlkramer-Rolle, sowie der genüsslichen Ausmalung der himmlischen Gefilde zum Paradies bayrischer Lebensart mit Weißwurstfrühstück und Schafkopfrunde. Der bayrische Himmel als ein Paradies, das vehement gegen anrückende Preußen verteidigt werden muss: „Koa Angst, mir lassen die Preißn scho net rei, sonst wär’s ja koa Paradies nimmer!“
Dass sich Joseph Vilsmaier des Stoffes annehmen würde, war vorhersehbar, denn der Münchner Regisseur hielt für seine episch-melodramatischen Leinwandgemälde immer Ausschau nach bajuwarischen Historien, Legenden und Mythen. 2008 präsentierte er „Die Geschichte vom Brandner Kaspar“ mit Michael „Bully“ Herbig als Boandlkramer und Franz-Xaver Kroetz als Brandner. Im Vergleich zum Kurt-Wilhelm-Stück mit seiner satirisch-polemischen Schärfe nahm sich Vilsmaiers Kinoversion allerdings ziemlich harmlos aus.
Der „Boandl“ und Amors Pfeil
Eine Million Zuschauer machten den Film aber zum unerwarteten Erfolg, und Bully Herbig gefiel sein Part als bleichgesichtige, ganz in tiefschwarze Kluft eingehüllte Boandl-Persona derart, dass er schon daran dachte, ihn zu seiner eigenen Figur zu machen und in ganz andere Stories jenseits der Brandner-Kaspar-G’schicht zu schicken. Es war Herbigs Idee, ihm eine Romanze anzudichten. Daraus entstand 2020, wieder unter Vilsmaiers Regie, „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“. Es wurde der letzte Film des „Urbayern“ Vilsmaier, der im Februar 2020 mit 81 Jahren verstarb. Da die Corona-Pandemie den Kinostart immer wieder hinauszögerte, erscheint die Boandlkramer-Lovestory jetzt bei den Streamingportalen.
Doch die Idee, Boandl von Amors Pfeil treffen zu lassen, zündet nicht wirklich. „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ offenbart sich als kurioser Mix aus rührseligem Heimatfilm, schrägen Himmel-Hölle-Showeinlagen und einem durch die hübsch fotografierte alpenländische Szenerie stolpernden Boandlkramer-Tölpel.
Die in den frühen 1950er-Jahren und im dörflichen Bayern angesiedelte Geschichte beginnt damit, dass sich der Boandlkramer als bayrischer Sensenmann vorstellt, dessen Aufgabe es sei, die Seelen von gerade Verstorbenen „in den Himmel, aber auch in die Hölle“ zu bringen. Sein erster Job wäre es, den kleinen Maxl (Josef Staber) nach einem Unfall nach oben zu transportieren, aber das bringt er einfach nicht übers Herz, weil der Anblick von Maxls liebreizender Mama Gefi (Hannah Herzsprung) in ihm nie gekannte Empfindungen entfacht. In dem ihm eigenen kindisch-knödelnden Dialekt stammelt er: „Da stimmt doch was net. Des bumpert ja grad so, als ob ich ein Herz hätt‘, und im Bauch, da flattert’s richtig drin!“
Engel, Teufel und der liebe Gott
Doch mit seinen Avancen kann der arme Boandlkramer bei Gefi nicht landen, weil die seit vielen Jahren vergeblich darauf wartete, dass ihr Mann aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurückkehre; jetzt trifft sie gerade Vorbereitungen, den Sohn des Bürgermeisters zu ehelichen. Der durch sein „bumperndes“ Herz völlig konfuse Boandl verstrickt sich auf seinen Liebespfaden in ein heilloses Chaos. Er liefert einen Heiratsschwindler im Himmel statt in der Hölle ab; er schließt, um Gefi gewinnen zu können, einen Pakt mit dem Teufel (Hape Kerkeling); er vernachlässigt seinen Job so sehr, dass einige Erzengel richtig zornig werden. Sogar der liebe Gott ist genervt und nimmt eine Auszeit, um darüber nachzudenken, ob es eine gute Idee war, die Menschen mit einem freien Willen auszustatten.
Alle diese Plot-Elemente können erzählerisch-komödiantisch nicht richtig zünden, weil sie wie ein Sammelsurium flüchtig angerissener Ideen erscheinen. Zudem hat die Boandl-Figur nicht das Format, als narratives Zentrum zu funktionieren. Herbigs Boandlkramer war schon 2008 allzu eindimensional aufs Tölpelhafte reduziert, ohne Gespür für die schicksalshaft-unheimliche Dimension der Gevatter-Tod-Gestalt. Jetzt wird die Reduktion noch weiter getrieben - bis hin zu einer Infantilität, die eher peinlich als komisch wirkt.
Im „Kein Frust nur Lust“-Elysium
Immerhin gibt es einige szenische Nummern, die für sich genommen Vergnügen bereiten. Etwa wenn der Hochstapler und Heiratsschwindler Gumberger (Sebastian Bezzel) als Flirt-Coach auftritt, oder wenn der Boandlkramer versucht, die Tanznummer aus einem „Dick&Doof“-Stummfilm zu imitieren, um bei Gefi Eindruck zu schinden. Auch die Hölle hat Amüsantes zu bieten. Sie ist kein Feuer-Rauch-Schwefel-Verlies, sondern sehr schick kristallin hell gestylt und wird von einer sexy Türsteherin im Edeldomina-Look (Nadja Auermann) bewacht. Hier regiert Hape Kerkeling, aufgebrezelt wie ein Showmaster der 1970er-Jahre, als Oberteufel, der auch Musicalnummern souverän trällern kann und sein Reich als „Kein Frust nur Lust“-Elysium anpreist. Solche Lust-Momente des Films sind freilich an den Fingern einer Hand abzuzählen.