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Filmkritik
Seinen Film „Der beste Film aller Zeiten“ zu nennen, das ist so mutig wie kokett und auch ein bisschen riskant. Im Original kommt der Titel zwar mit „Competencia oficial“ – also: offizieller Wettbewerb – etwas bescheidener daher, verweist aber mit der höchsten Kategorie bei Festivals ebenfalls auf die Krone der Filmkunst. Der „beste Film aller Zeiten“ ist der augenzwinkernd so betitelte Film zwar sicherlich nicht geworden, durchaus aber eine vergnügliche, scharfzüngige Satire über das Filmgeschäft mit seinen zahllosen Wichtigtuern und Eitelkeiten.
Darin will der gelangweilte Pharma-Millionär Humberto Suarez nichts weniger als „den besten Film aller Zeiten“ produzieren. „Was weiß ich?!“, antwortet er genervt auf die Frage, worum es darin gehen soll. Sich selbst mit dem Projekt unsterblich machen, ist das Motiv des 80-Jährigen. Also engagiert er mit der experimentierfreudigen Regisseurin Lola, dem populären Filmstar Félix und dem von der Kritik hochgeloben Theaterschauspieler Iván „die Besten“ ihres Faches. Sie sollen einen Literaturbestseller namens „Rivalität“ verfilmen, in dem es um den ewigen Konkurrenzkampf zwischen zwei Brüdern geht.
Ziemlich unerträgliche Filmschaffende
Das Thema ist damit gesetzt: Während „Der beste Film aller Zeiten“ von den gemeinsamen Proben zu dem geplanten Filmprojekt erzählt, beleuchtet die Komödie vor allem den Hahnenkampf zwischen den zwei Mimen. Eifrig befeuert wird deren Rivalität durch Lola, die sich dadurch Authentizität und Intensität für ihren Film verspricht. Doch auch Lola ist keineswegs frei von der Überzeugung, ein Genie zu sein. Weshalb sie sich selbstbewusst einreiht in dieses bissige Kaleidoskop ziemlich unerträglicher Filmschaffender.
Das Autoren- und Regieduo Mariano Cohn und Gastón Duprat hat schon häufig zusammengearbeitet, so rechneten sie in „Der Nobelpreisträger“ mit dem Literaturmarkt und der Figur des linksliberalen Schriftstellers ab. Diesmal ist die Filmbranche dran: Die alles der (vermeintlichen?) Kunst unterordnende Lola, die ihren Drehbuch-Ordner mit wüsten Collagen aus Fotos, Fundstücken, Kippen und Haarbüscheln versehen hat, im Umgang mit den Schauspielern unerbittlich ist und sich in der Rolle des radikalen, frei flottierenden Enfant terrible gefällt. Der selbstverliebte Filmstar Félix, der für internationalen Mainstreamerfolg steht und sein Selbstbewusstsein vor allem aus seiner Popularität und seinen häufig wechselnden jungen Geliebten zieht. Sowie der selbstgerechte Iván, der seine angebliche moralische Überlegenheit, seine Ideale und seinen künstlerisch-intellektuellen Anspruch wie eine Monstranz vor sich herträgt.
Übungen für das Ego und Transformation
Die zwei Männer versuchen den jeweils anderen (und auch sich selbst) von der eigenen Herrlichkeit zu überzeugen. Gezielt gefördert wird deren Wettbewerb durch Lola, die „Übungen für das Ego“ auf den Probenplan setzt, die man auch als Übergriffe und Demütigungen beschreiben könnte. Die Schauspieler, die ein konkurrierendes, aber nahezu symbiotisch verbundenes Brüderpaar spielen sollen, will sie dazu bringen, ihre „Autonomie aufzugeben“, Transformation sei die Antwort. Und nebenbei macht es ihr vermutlich auch ein bisschen Spaß, ihre Machtposition zu nutzen.
Dazu kommt ein vierter Mitspieler, nämlich die puristisch-futuristische Villa der „Stiftung Humberto Suarez“, in der die Schauspielproben stattfinden. Das wie ein Ufo in der Landschaft liegende Gebäude mit seinen großen Steinflächen und dem grünen Marmor, seinen gigantischen Räumlichkeiten und riesigen Fensterfronten braucht es, um den nicht minder gigantischen Egos der drei Hauptfiguren ausreichend Platz zur Entfaltung zu geben – Kameramann Arnau Valls Colomer fängt diesen Raum gekonnt ein. Die von Penélope Cruz, Antonio Banderas und Oscar Martínez hervorragend gespielten Protagonisten messen darin in scharfzüngigen Dialogen und überraschenden Wendungen ihre Kräfte.
Klischees zur eitel-verkommenen Filmwelt
Der effektvoll erzählte Film zeichnet mit viel schwarzem Humor und einer präzise eingesetzten Musikspur ein höchst unterhaltsames Bild der Filmbranche, das im Grunde sämtliche Vorurteile über diese bestätigt. Zwar pflegen Cohn und Duprat einen bewussten Umgang mit Klischees, schießen dabei gelegentlich aber auch übers Ziel hinaus. Etwas mehr Subtilität bei der Verwendung von Stereotypen – etwa bei der Figurenzeichnung des von seinem Intellekt und hohen Ethos überzeugten Iván – hätte dem Film durchaus gutgetan. Insgesamt gestaltet sich das Geschehen manchmal zu erwartbar, sind die Erkenntnisse zur eitel-verkommenen Filmwelt teils eher banal.
Wahrlich überraschend aber ist das vielfach schillernde Ende geraten, in dem die Ebene des Films und des Films-im-Film endgültig in eins fallen. Und das, will man Lola glauben, gar kein wirkliches Ende ist. So gebe es die Filme, die enden, wenn der Abspann läuft. Oder immer dann, wenn man an sie denke. Und dann, fügt die Regisseurin hinzu, gebe es noch die anderen Filme: Nämlich die, die „niemals enden“. Dass „Der beste Film aller Zeiten“ zu dieser letzten Kategorie gezählt werden muss, daran lässt Lola keinen Zweifel. Mit Blick auf den gewissermaßen systemimmanenten, ewigen filmischen Jahrmarkt der Eitelkeiten und Rivalitäten muss man ihr wohl zustimmen.