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Filmplakat von Der Anatolische Leopard

Der Anatolische Leopard

108 min | Drama
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Filmkritik

Er sei der letzte Vertreter seiner Art, erklärt Fikret einmal. Und dass er sich schon immer besser mit Tieren als mit Menschen verstanden hat. Seit 22 Jahren leitet der resignierte Mitfünfziger einen Zoo in Ankara, der inzwischen ganz zu seinem Abbild geworden ist. Die Käfige, die durch die kahlen Bäume noch trister wirken, sind vollständig verwaist; die letzte Giraffe wurde gerade vor Fikrets Augen mit einem Transportwagen abgeholt. Der Tierpark steht kurz vor der Abwicklung; zur Freude des Bürgermeisters soll er von Investoren aus Katar zu einem Themenpark umgebaut werden. Das letzte Hindernis der bevorstehenden Privatisierung ist Herkules, ein altersschwacher anatolischer Leopard. Für das seltene Exemplar einer vor dem Aussterben bedrohten Tierart muss erst noch ein neues Zuhause gefunden werden.

Alles an ihm sieht traurig aus

Der Zoodirektor, dem Uğur Polat sein zerfurchtes Gesicht leiht, ist ein einsamer Mann. Alles an ihm sieht traurig aus: der buschige Schnauzbart, das schon etwas schüttere Haar, der graue Mantel. Fikret führt ein Leben ohne Beziehungen und Freundschaften. Zu der heranwachsenden Tochter findet er keine Verbindung, und seine loyale Sekretärin Gamze beachtet er nicht. Widerspruchslos sieht er den Verhandlungen zu.

In der Silvesternacht lässt er sich vor dem Leopardenkäfig zu einem selbstmitleidigen Monolog hinreißen. Der türkische Filmemacher Emre Kayis filmt ihn dabei durch die Gitterstäbe hindurch, wie eine tragische Heldin in einem Melodram von Douglas Sirk. Er habe immerzu das Gefühl, dass alles außerhalb von ihm stattfände; nie habe er den Mund aufgemacht, sein ganzes Leben: verschenkt. „Alles geht durch mich hindurch. Nichts bleibt“. Fikret hat seine Rede gerade beendet, als er begreift, dass er die ganze Zeit zu einem leblosen Tier gesprochen hat.

Ein Sinnbild des Vergangenen

Mit lakonischem Humor erzählt Emre Kayis eine soziale Parabel über Konformismus und die Dynamiken des neoliberalen Kapitalismus. Doch anders als Nuri Bilge Ceylan, dessen gesellschaftsdiagnostischer Ton in „Der anatolische Leopard“ gelegentlich anklingt, tendiert Kayis in seinem Spielfilmdebut eher zu symbolhafter Deutlichkeit. Der Zoo, im Kino meist ein Schauplatz für Familienausflüge und putzige Tierauftritte, wird zum Sinnbild einer vergangenen Lebensform, die in dem Tier und in Fikret gleichermaßen widerhallt. Im Zusammenspiel von altmodischer Ausstattung und schlechtem Wetter erscheint der Ort als Stauraum der Melancholie. Die Bilder sind ins Grau schmuddeliger Wintertage getränkt und baden förmlich in den Brauntönen holzvertäfelter Wände.

Nach der heimlichen Beseitigung des toten Leoparden und der Verwischung von Spuren, zu denen auch die Beamtin Gamze ihren Teil beiträgt, nehmen die Ereignisse ihren absurden Lauf. Plötzlich hat der Zoo eine mit gelbem Absperrband abgezirkelte „crime scene“; das Fernsehen berichtet, Polizei und Staatsanwalt stürzen sich in Ermittlungen. Bald machen Gerüchte die Runde, dass Herkules entführt worden sei; Menschen wollen den Leoparden in den Bergen mir ihren eigenen Augen gesichtet haben. Die Fiktion und die falschen Nachrichten übernehmen.

Alles dreht sich um die Evolution

Auf diese Weise zeihen Geschichten und Parabeln ihre Spur durch den Film. Während in Kneipen über den wahren Sozialismus debattiert wird und der Polizeipräsident von einer Zukunft als Farmbesitzer träumt, verpackt der Staatsanwalt seinen Verdacht in eine darwinistische Gleichung. Alles dreht sich um die Gesetze der Evolution; dabei zeigt der Film eine Gesellschaft in Erstarrung. Zuweilen aber strahlt diese das Flair eines in die Jahre gekommenen Naturkundemuseums aus.

Erschienen auf filmdienst.deDer Anatolische LeopardVon: Esther Buss (16.11.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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