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Filmkritik
London 1946. Juliet, eine schöne und lebensfreudige Journalistin und Schriftstellerin, hat viel Geld verdient mit einer Sammlung komischer Kurzgeschichten über einen Kriegshelden wider Willen – sehr zur Freude ihres freundschaftlich verbundenen Verlegers Sidney. Privat ist Juliet mit dem GI Mark Reynolds liiert. Sie wollen heiraten und in den USA ein neues Leben beginnen. Da erhält die junge Frau einen Brief, der ihr auf Anhieb gefällt. Dawsey Adams, ein literaturbegeisterter Farmer von der Kanalinsel Guernsey, ist auf der Suche nach einem bestimmten Buch von einem bestimmten Autor, nämlich Charles Lamb, Juliet soll bei der Beschaffung helfen. Gleichzeitig erfährt sie, dass Dawsey zusammen mit seinen Freunden Elizabeth, Eben und Isola „The Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ (der Originaltitel des Films) gegründet hat. Juliet macht sich kurzentschlossen auf nach Guernsey. Vielleicht verbirgt sich hinter dem Buchklub mit dem kuriosen Namen ja eine lesenswerte Geschichte. Der Zuschauer hingegen kennt die Mitglieder bereits. Gelegentlich eingestreute Rückblenden führen zurück in die Kriegsjahre, als die Nazis Guernsey besetzten, das Vieh zur eigenen Versorgung beschlagnahmten und die Inselbevölkerung schikanierten. Juliet ist verzaubert von der Insel und freundet sich mit den Buchmitgliedern an. Einer Geschichte über sich wollen sie aber nicht zustimmen. Denn es gibt ein Geheimnis, das die Literaturfreunde verbindet. Derweil warten Mark und Sidney in London darauf, dass Juliet endlich aus Guernsey zurückkehrt. „Deine Juliet“ beruht auf einem Briefroman, den die US-Autorin Mary Ann Shaffer begann und ihre Nichte Annie Barrows vollendete. Shaffer starb im Februar 2008, einige Monate vor Veröffentlichung des Buches, das sich bis heute 7,5 Millionen Mal verkauft hat. Die Produktionsnotizen zum Film verwenden erheblichen Platz darauf, die Originalität, Schönheit, Kompliziertheit und Melodie des Originaltitels zu beschreiben – was in der deutschen Fassung schon beim Buchtitel keine Rolle mehr spielte. Immerhin gibt Regisseur Mike Newell, den man durch „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (fd 30 917) noch in bester Erinnerung hat, einen Hinweis zum Verständnis: „Man entschlüsselt den Titel entgegen die Filmgeschichte und man tut es im Verlauf.“ Dabei bezieht er sich auf die beiden Zeitebenen, die sich alternierend miteinander verquicken und so im Fortgang der Geschichte das Geheimnis von Filmtitel und Film lüften. Interessant: Auch dieser Film hängt, wie jüngst „Churchill“ (fd 44 707), „Ihre beste Stunde“ (fd 44 804) oder „Die dunkelste Stunde“ (fd 45 208), am Zweiten Weltkrieg, einer Zeit, in der Großbritannien noch eine Großmacht war, die gegen die Nazis zusammenhalten musste – im Gegensatz zu heute, wo der Brexit die Briten spaltet und zu falschen Allianzen verleitet. „Deine Juliet“ durchweht denn auch so etwas wie eine nostalgische Sehnsucht nach einer zwar schwierigen, aber besseren Zeit. Das merkt man schon an dem bestechenden Gefühl des Kostümbilds für die 1940er-Jahre, an den weiten, hochtaillierten Hosen, die auch die Frauen tragen, an ihren hochgesteckten Frisuren, an den gepolsterten Jackett-Schultern. Die 1940er-Jahre haben hier einen ziemlich coolen Look. Sicher geht es hier um den Krieg, um Nazis, die ein fremdes Land besetzen, den Alltag der Bevölkerung erschweren und so die tragischen Ereignisse des Films erst in Gang setzen. Und doch lenken Shaffer und Newell das Augenmerk auf andere Dinge: Da ist eine junge Autorin, die nach einem Thema und nach einem Platz im Leben sucht, da ist die Liebe zum Buch, die immerhin eine kleine Flucht vom Kriegsalltag in die Fantasie bedeutet, da ist die Liebe selbst, weil es zwischen Juliet und Dawsey ordentlich knistert, da ist die genaue Beschreibung einer kleinen Gemeinschaft voll farbig gezeichneter Charaktere, in der jeder jeden kennt. Und da ist Guernsey, eine Insel voll wilder, atemberaubender Schönheit, wo das Meer nie weit entfernt ist. Kein Wunder, dass Juliet hier nicht wieder wegmöchte.