Vorstellungen
Filmkritik
„Death of a Ladies’ Man“ hieß das im November 1977 veröffentlichte fünfte Studioalbum des kanadischen Singer-Songwriters Leonard Cohen. Es war eine Zäsur im Schaffen des Musikers: Das Album wurde nicht nur von Fans und Kritikern gleichermaßen abgelehnt, sondern auch von Cohen selbst. Der Produzent Phil Spector hatte die sonst dezenten, minimalistischen Klänge hinter Cohens Stimme zum überwältigenden Klangteppich hochgezogen. Wo Cohen sonst poetisch die Liebe umkreiste, wurde die Libido hier thematisch zur Perversion und die Liebhaber-Persona zum maßlos bis in die Selbstzerstörung aufgegeilten Verlierer.
Dieser Wandel der Persona von Leonard Cohen ist eben das, was dem Album seinen Kern und aus heutiger Sicht seine Signifikanz gibt. Regisseur Matt Bissonnette exportiert diese Persona nun in den gleichnamigen Film „Death of a Ladies’ Man“. Dabei wird nicht nur der Titel des Albums wörtlich genommen. Cohen ist hier überall: Mal liest jemand seine Romane, mal dienen die bekannten Albumtitel als Hintergrundmusik; er selbst ist als riesiges Hauswandporträt in der ersten Einstellung zu sehen.
Leonard Cohen ist allgegenwärtig
Den ausgebrannten Ladies’ Man gibt Gabriel Byrne. Sein Auftritt als Samuel O’Shea, einem charmant aufdringlichen, notwendigerweise unwiderstehlichen und allseits zynischen Literaturprofessor, durchdringt das von Bissonnette entworfene filmische Äquivalent des Klangteppichs, das bei jeder Gelegenheit auf Cohen anspielt, ohne je an sein Schaffen anknüpfen zu können.
Byrne findet die Tragik hinter dem Charisma des allzu jung gebliebenen Ladies’ Man. In einen Satz gepackt, lautet die: Der Lebemann ist kein Familienmann. Seine Kinder, die Performance-Künstlerin Josée (Karelle Tremblay) und der Eishockeyspieler Layton (Antoine Olivier Pilon), sehen ihren Vater zwar noch, bleiben mit ihren Sorgen und Problemen aber allein, etwa mit einem späten Coming-Out in der Welt des Sports oder dem regelmäßiger werdenden Drogenkonsum in der Welt der Kunst.
Die eigentliche Tragik enthüllt sich, als O’Sheas Ärztin nicht nur seinen Flirtversuch abwehrt, sondern ihm auch zu verstehen gibt, dass ihm keine Zeit mehr bleibt, die verpassten Stunden mit den Kindern aufzuholen. Der Playboy hat einen Hirntumor. Ihm bleibt noch ein Jahr.
O’Shea verbringt es nicht in seiner Québecer Wahlheimat und auch nicht bei der Familie. Er zieht sich in sein altes Elternhaus an der irischen Küste zurück. Mit der Flucht in die Abgeschiedenheit verliert aber nicht nur der Ladies’ Man, sondern auch der Film seinen Halt. Die kurzweiligen Exzesse, die O’Shea, von Drogen und krankheitsbedingten Halluzinationen stimuliert, konsequent gegen das eigene Alter auslebt (besonders schön: die Eiskunstlauf-Einlage der Hockeymannschaft seines Sohns), weichen einer End-of-Life-Crisis, wobei sich der Film weder entscheiden kann, wie Samuel sein Leben abwickeln sollte, noch, wie sich das erzählerisch zuspitzen ließe.
Rückfall ins Gewohnte
Der Geist des in jungen Jahren verstorbenen Vaters (Brian Gleeson) bringt die Kindheit ins Gedächtnis zurück, eine junge Frau (Jessica Paré) entzündet die Libido im scheidenden Leben, der Versuch, im letzten Jahr noch einen großen Roman zu verfassen, gibt dem Leben eine Richtung, und die Abwesenheit der Kinder lässt neue Probleme erahnen, die der Rückfall in den gewohnten Lebensstil mit sich bringen wird.
Wirklichen Eindruck hinterlässt das alles nicht. Der Film gibt dem Protagonisten die dazu passenden Referenzen aus Hoch- und Popkultur (Shakespeare, Mary Shelley) an die Hand, spielt den ein oder anderen Cohen-Song ein, ist sich aber letztlich nie sicher, was er wirklich sein möchte. „Death of a Ladies’ Man“ ist ein Film über Leonard Cohen, über abwesende und verstorbene Väter; ein Film über Quebec, über Irland; über die Sucht und das Sterben; ein Film über all das, aber zugleich über nichts davon. Man könnte auch sagen: ein Film gewordener Klangteppich, oder ein Film, der weniger ist als die Summe seiner Teile.