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Filmkritik
Der „Melting Pot“ New York City hat auf die europäische Trickfilmszene immer noch eine starke Anziehungskraft. Jüngst siedelte der spanische Regisseur Pablo Berger sein nostalgisches „Robot Dreams“-Märchen im New York der 1980er-Jahre an, und jetzt lässt auch Jérémie Degruson seine schwungvolle Heldenreise „Die Unzertrennlichen“ im Herzen der US-Metropole spielen. Gemeinsam ist beiden Buddy-Filmen auch ein zentrales erzählerisches Element. Während in „Robot Dreams“ ein Hund und ein Roboter die Höhen und Tiefen einer echten Freundschaft durchleben, schickt Degruson eine Puppe in Menschengestalt und einen Plüschhund auf Abenteuerreise.
Im Central Park haben die Marionetten nach dem altersbedingten Rückzug ihres Erbauers selbst die Regie im Puppentheater übernommen. Wenn nach der letzten Vorstellung die Lichter ausgehen, erwachen sie zum Leben. Unter den Puppen ist Don auf den Part des Hofnarren abonniert; Abend für Abend landet eine Sahnetorte in seinem Gesicht. Allerdings ist er dieser eintönigen Rolle überdrüssig; Don möchte endlich auch wie sein prahlerischer Kollege Alfonso den Helden spielen. So wie seine liebreizende Kollegin Dee davon träumt, nicht immer nur die Jungfrau in Nöten geben zu müssen.
Auf in die weite Welt
Als Don in einem neuen Stück erneut als Narr besetzt wird, zieht er die Notbremse und verlässt das Theater. Er hofft, sich in der großen weiten Welt als Held bewähren zu können. In der Stadt lernt er das einsame Stofftier DJ Doggie Dog kennen. Der Plüschhund mit abspielbarer Selbstbeschreibung avanciert zum Assistenten des Möchtegern-Helden. Gemeinsam suchen sie ein Schloss in den Wolken und setzen sich mit Widersachern wie Drachen und Löwen auseinander. Zumindest in Dons Fantasie.
„Die Unzertrennlichen“ ist der zehnte abendfüllende Animationsfilm des Studios nWave, das der Regisseur und Produzent Ben Stassen vor 30 Jahren in Brüssel gegründet hat. Es ist überdies der erste abendfüllende Trickfilm, bei dem Jérémie Degruson die Regie alleine führte, nachdem er diesen Part bei „The House of Magic“ (2013), „Bigfoot Junior“ (2017) und „Bigfoot Family“ (2020) noch mit Stassen geteilt hat. Degruson folgt einen ambitionierten Ansatz. Einerseits will er mit der „Abenteuerkomödie mit Herz“ ein breites Familienpublikum unterhalten, andererseits wagt er sich an eine eigenwillige Interpretation des „Don Quijote“-Romans von Miguel de Cervantes. Er verknüpft das Epos über den tragikomischen Ritter, der nicht zwischen Dichtung und Wirklichkeit unterscheiden kann, mit Motiven der Gegenwart und stellt ihm einen rappenden Teddybären als Sancho Pansa an die Seite.
Ein Wechsel in den Stilen
Das auffälligste Gestaltungsmittel ist ein dramaturgisch motivierter Wechsel des Animationsstils, der auf der visuellen Ebene für zusätzliche Abwechslung sorgt. Während die reale Welt in fotorealistischen Bildern aus dem Computer gezeigt wird, erscheinen Dons Heldenfantasien in eher flächig gezeichneten Szenen mit grellbunten Farben, die die Bilder als hochstilisiert markieren. Oft bilden Lebewesen oder Gegenstände aus der realen Welt den Anlass für spontane Sprünge in die Imagination, etwa wenn der winzige Schoßhund einer Spaziergängerin im Central Park sich in einen aggressiven Löwen verwandelt oder ein Kanaldeckel zum riesigen Wal mutiert. Don darf sich dann jeweils als heldenhafter Retter versuchen.
Dass er das Zeug zum Helden hat, wenn auch anders, als erwartet, kann er später mit DJ und anderen Verbündeten beweisen, als zwei jugendliche Einbrecher mit hoher krimineller Energie die Puppen stehlen, um sie an Sammler zu verhökern.
Die Komik von „Die Unzertrennlichen“ beruht zumeist auf der Kontrastierung des ungleichen Duos. Denn beide Protagonisten sind auf einer Identitätssuche. Don will das Potenzial seiner Persönlichkeit entfalten, während DJ sich nach familiärer Geborgenheit sehnt. Für humoristische Funken sorgt auch ihre jeweilige Sprache. Wo Dons theatralische Wortwahl auch auf den Alltag durchschlägt, greift DJ immer wieder zu plakativen Rapper-Sprüchen, um seine Unsicherheit zu tarnen.
Veränderungen & Heldenreise
Das animierte Buddy Movie kreist um universelle Themen wie Einsamkeit und Freundschaft, Verlust und Geborgenheit und spricht alle Altersgruppen an. Während die Abenteuerreise des rappenden Hundes, Verfolgungsjagden und viele Gags in erster Linie junge Zuschauer fesseln dürften, kommen Erwachsene bei Anspielungen auf feministischen Sichtweisen oder bei autoreflexiven Momenten auf ihre Kosten. So kritisiert Dee ihre Rolle im neuen Theaterstück: „Ich habe nicht einmal einen Namen!“ Worauf der reaktionäre Alfonso entgegnet: „Ihr Name ist Frau, die gerettet werden muss“. Und als DJ beklagt, dass die Batterie für das Abspielen seiner Rap-Reime fast leer ist, konstatiert Don lakonisch: „Veränderung ist Teil der Heldenreise.“
Doch so beherzt der Animationsfilm die Kraft der Fantasie und Werte wie Freundschaft, Solidarität und Tapferkeit auch feiert, lassen sich doch auch Schwächen nicht übersehen. So stolpert man zu Beginn über manche Plausibilitätslücken. Wie können die Marionetten den täglichen Theaterbetrieb aufrechterhalten, wenn sie vor den Menschen verbergen müssen, dass sie lebendig sind? Und wer repariert die Figuren, wenn der Puppenbauer nicht mehr da ist? Einige Verfolgungsjagden wirken zudem hektisch und manche Actionszene unnötig ausgewalzt. Vor allem aber werden die simplen Botschaften zu dick aufgetragen, wenn es etwa in der fulminanten Musicalnummer am Ende heißt: „Glaub an Dich und Deine Träume.“