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Filmkritik
Nachdem die Verstrickungen scheinbar aufgedeckt wurden, besucht der eiskalte Verleger Eric Angstrom (Lambert Wilson) den Täter im Gefängnis. Regisseur Régis Roinsard nutzt diesen Moment jedoch nicht als Auflösung seines Literatur-Krimis, sondern zeigt ihn bereits sehr früh. Immer wieder kehrt der Film zu dieser Situation in der Zukunft zurück und nutzt sie als Rahmung für seine Erzählung um Menschen, die nicht sind, was sie scheinen. Damit sich das Whodunit jedoch nicht erübrigt, verweigert er uns lange jenen Gegenschuss, der verrät, mit wem der wild monologisierende Angstrom eigentlich spricht.
Der Vermeidung von Spoilern spielt eine sehr grundlegende Rolle in „Das Rätsel“. Im Zentrum steht die international erfolgreiche Roman-Trilogie „Dedalus“ des bislang anonym gebliebenen Autors Oscar Brach. Vermarktet wird sie zwar als Krimi, aber einige erkennen darin Anleihen an James Joyce und Marcel Proust. Um den mit Spannung erwarteten dritten Band weltweit gleichzeitig veröffentlichen zu können, greift Angstrom zu radikalen Maßnahmen.
Neun Übersetzer im Keller einer Villa
Neun Übersetzer aus unterschiedlichen Ländern sollen sich des Romans innerhalb von zwei Monaten und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen annehmen. Im luxuriösen Keller einer Oligarchen-Villa bekommen sie täglich nur zwanzig Seiten des Buchs, die nach getaner Arbeit wieder in einem Safe verschwinden. Fenster gibt es an diesem Rückzugsort ebenso wenig wie Internet oder sonst irgendeinen Kontakt zur Außenwelt. Und damit die Regeln eingehalten werden, sind außerdem bewaffnete Security-Leute anwesend.
Mit lässigem Jazz-Soundtrack widmet sich Roinsard zunächst dem Kennenlernen. Einige Figuren stechen schnell heraus, etwa die obsessive Russin Katarina (Olga Kurylenko), der zynische Grieche Konstantinos (Manolis Mavromatakis), die ernste dänische Autorin Helene (Sidse Babett Knudsen) und der eigentlich viel zu junge Brite Alex (Alex Lawther). Man unterhält sich über verschiedene Blickwinkel auf den Roman, doch im Film bleibt das ein wenig abstrakt. Von der Handlung des „Dedalus“ erfährt man lediglich, dass es um einen Polizisten namens Franck und eine Femme Fatale namens Rebecca geht, die für manche die eigentliche Heldin der Reihe ist.
Ins Rollen kommt die Handlung, als plötzlich die ersten zehn Seiten des neuen Buchs geleakt werden. Ein Unbekannter, der einer der Übersetzer sein muss, fordert von Angstrom per SMS mehrere Millionen, um die unfreiwillige Veröffentlichung aufzuhalten. Langsam macht sich Misstrauen unter den internationalen Gästen breit, die allesamt als Typen mit landestypischen Eigenschaften angelegt sind, aber überwiegend blass bleiben. Umso mehr reißt der spielfreudige Lambert Wilson die Aufmerksamkeit an sich, doch sein diabolischer Verleger, der zu immer rabiateren Methoden greift, droht dabei zur Karikatur zu werden.
Mehr Machtspiele als Morde
Inspiriert wurde „Das Rätsel“ angeblich von den Sicherheitsvorkehrungen rund um Dan Browns „Inferno“. Angereichert wird diese Ausgangssituation mit Parallelen zu einem berühmten Agatha-Christie-Roman sowie den Fallstricken technologischer Neuerungen für die Verlagswelt. Ungewöhnlich an diesem Krimi ist, dass Mord zunächst gar keine und später nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Am besten funktioniert der Film, wenn er sein Konfliktpotenzial aus den Machtspielen und Hierarchien des Literaturbetriebs entwickelt. Der Verleger ist hier ein neoliberaler Unternehmer, seine Assistentin (Sara Giraudeau) eine Lakaiin, die sich all die Demütigungen nur wegen ihrer Liebe zur Literatur gefallen lässt, und die Übersetzer prekäre Arbeiter, die erfolglos an der eigenen Autorenkarriere feilen. Neid, Frustration und Geldgier führen schließlich zur Eskalation.
So elegant der Film teilweise visuell umgesetzt ist, fehlt es ihm doch an einer stringenten Dramaturgie. Die ständigen Wendungen und doppelten Böden halten einen zwar weitgehend bei Laune, aber häufig wird bei all den Volten vergessen, das Ganze noch einigermaßen glaubwürdig zu gestalten. Ein minutiös getakteter Raub sorgt zwar für Abwechslung, erweist sich aber letztlich nur als etwas ungelenker Umweg zur Auflösung. Auch mit dem großen Ensemble, bei dem die meisten Nebenfiguren verschenkt sind, verhebt sich „Das Rätsel“.
Meist ist Roinsard am besten, sobald es möglichst wenig Ablenkung gibt. Einige der Wortduelle sind ziemlich dicht geworden, auch weil das sprachliche Kräftemessen oft einen ungeahnten Ausgang hat. In der wiederkehrenden Gefängnisszene wird schon nach der Hälfte des Films die Identität des Gegenübers verraten. Sobald sich aber das Gespräch weiterentwickelt, ist auch die Gewissheit wieder dahin.