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Filmkritik
Die wellenförmigen Handbewegungen der Ballerina Elise (Marion Barbeau) wirken, als wolle sie etwas von sich wegschieben. Tatsächlich würde sich die zitternde junge Frau während der Aufführung von „La Bayadère“ am liebsten in Luft auflösen. Kurz zuvor hatte sich Regisseur Cédric Klapisch noch mit ständig schweifendem Blick und fast gänzlich ohne Dialoge der Aufregung hinter dem Bühnenvorhang gewidmet. Elise kämpfte dabei nicht nur mit Lampenfieber, sondern beobachtete kurz vor ihrem Auftritt, wie ihr Freund und Duett-Partner mit einer Kollegin rummacht. Mit der Konzentration ist es von da an vorbei. Beim großen finalen Sprung zieht sie sich eine schwere Verletzung zu.
Jeder Mensch habe zwei Leben, wird einmal die früh verstorbene Mutter von Elise zitiert. Als die ehrgeizige Tänzerin nicht nur vor den Trümmern ihrer Beziehung steht, sondern auch ihre Karriere längere Zeit auf Eis liegt, muss sie sich fragen, wie so ein zweites Leben aussehen könnte. „Das Leben ein Tanz“ setzt bei dieser ungewissen, von Zweifeln und Schwermut geprägten Suche an. Das bürgerliche Milieu, in dem die Geschichte spielt, ist zwar privilegiert, aber seine Probleme irgendwie auch universell: Nicht nur beruflich braucht Elise einen Plan B. Sie hegt auch die Hoffnung auf eine neue Liebe und einen besseren Draht zu ihrem unterkühlten Vater (Denis Podalydès), der ihre künstlerische Arbeit nie ernst genommen hat.
Wie man auf andere Gedanken kommt
Trotz seiner eher ernsten Themen ist „Das Leben ein Tanz“ von demonstrativer Leichtigkeit geprägt. Zu dem Abgrund, in den Elise zu stürzen droht, hält der Film durch humorvolle Einlagen und skurrile Nebenfiguren einen gewissen Sicherheitsabstand. Als komödiantische Sidekicks dienen dabei der esoterisch angehauchte Physiotherapeut Yann (François Civil) sowie die vorlaute Sabrina (Souheila Yacoub) und ihr Freund Loïc (Pio Marmaï), die Elise beim Catering in einem bretonischen Kulturzentrum unterstützen soll, um endlich auf andere Gedanken zu kommen.
Als jedoch die Kompagnie des modernen Choreografen Hofesh (Hofesh Shechter) dort ihre Zelte aufschlägt, um zu proben, wird Elise umso mehr an ihren ramponierten Körper erinnert. Während sie missmutig Karotten schabt, ist sie lediglich durch eine Glasscheibe von der Truppe getrennt. Ein mögliches neues Leben ist für sie ebenso in Reichweite wie mehrere potenzielle Liebespartner. Den ersten Schritt wagt sie, als Hofesh sie davon überzeugt, dass man auch tanzen kann, ohne perfekt zu sein.
Im Gegensatz zu der Protagonistin, die sich auf ungewisses Terrain begibt, setzt Cédric Klapisch ganz aufs Vertraute. Bereits in der Eröffnungsszene ist Paris so inszeniert, wie man sich die französische Hauptstadt vorstellt: mit einer Altbauwohnung in Montmartre und wahlweise dem Eiffelturm oder Sacré-Cœur als Hintergrund. Auch aktuelle gesellschaftliche Debatten wie die zunehmende Emanzipation junger Frauen werden eher pflichtschuldig erwähnt, als wirklich in die Erzählung eingebaut. Nachdem Sabrina einen sexistischen Fotografen für seine unzeitgemäßen Ansichten zurechtgewiesen hat, erlebt Elise ihre tänzerische Wiedergeburt ausgerechnet als „Leiche“, die von ihrem Partner lediglich herumgeschoben wird. Und als es bei einem Umtrunk darum geht, die Sinnlichkeit des klassischen Balletts zu beweisen, tanzen ausschließlich Frauen für die Männer.
Weniger Hindernis denn Antrieb
„Das Leben ist ein Tanz“ will nicht herausfordern, sondern Geborgenheit bieten. Das heißt jedoch nicht, dass der Film nicht auch überzeugend von gescheiterten Träumen und Zukunftsängsten erzählen würde. Die ältere Josiane (Muriel Robin), die um keinen flotten Spruch verlegene Leiterin des Kulturzentrums, signalisiert Elise, dass sie sich nicht so anzustellen brauche. Schönheit und Talent hat die junge Frau stets als natürlich gesehen, obwohl viele andere weniger günstige Voraussetzungen haben. Elises Schwächen sollten nicht mehr Hindernis, sondern Antrieb sein.
Mit unerschütterlichem Optimismus heilt Klapisch Wunden, baut Brücken und widmet sich den sinnlichen Freuden. Die energetischen Tanzszenen werden dabei ebenso als Schauwerte eingesetzt wie die kulinarischen Experimente von Loïc. Genüsslich wird so einmal eine blanchierte Birne in Großaufnahme mit dickflüssiger Schokolade übergossen. So kann man sich auch den Film vorstellen. Die komischen Einlagen, die die Selbstsuche flankieren, zählen dabei aber nicht unbedingt zu den Stärken. Manchmal geht es in Richtung Slapstick, aber vieles wirkt gehemmt und verdruckst, fast so, als würde Cédric Klapisch seinen eigenen Witzen nicht trauen.
Mut zur Hässlichkeit
Bemerkenswert ist allerdings, wie konsequent der Film die Veränderung der Protagonistin mit den Mitteln des Tanzes erzählt. War das Ballett noch von extremer Körperbeherrschung, Anmut und einem buchstäblichen Streben nach Höherem geprägt, lassen die rauen, erdverbundenen Choreografien von Hofesh Schechter auch Hässlichkeit und Unvermögen zu.
Gerade weil es sich „Das Leben ein Tanz“ mitunter sehr auf der sicheren Seite bequem macht, erweist sich die Hauptdarstellerin Marion Barbeau als Glücksgriff. Sie brilliert als professionelle Tänzerin nicht nur mit ihrer ausdrucksstarken Körpersprache, sondern verleiht ihrer hadernden Figur auch die für die Geschichte notwendige Unsicherheit.