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Filmkritik
Ein junger, androgyner Lockenkopf führt in die Welt des surrealistischen Malers Salvador Dalí (Ben Kingsley) ein. Die Liebe zur Kunst zieht James (Christopher Briney) Anfang der 1970er- Jahre von der Provinz nach New York, wo er einen Job in der Galerie von Dalí bekommt. Aus nächster Nähe soll er dem nicht immer zuverlässigen Künstler auf die Finger schauen, um genug Bilder für eine anstehende Ausstellung zusammenzubekommen. Zugleich ist es für den jungen Fan eine einmalige Chance, in das eigenwillige Reich des Malers und seiner deutlich jüngeren Entourage einzutauchen.
„Dalíland“ heißt der Film von Mary Harron, der ganz in der Gegenwelt einer freigeistig hedonistischen Bohème verweilt. Auch inszenatorisch bleibt die oft in luxuriösen Hotelzimmern und auf Privatpartys angesiedelte Geschichte streng von der Wirklichkeit getrennt. Im Gegensatz zu Nebenfiguren wie der Disco-Königin Amanda Lear (Andreja Pejic) oder dem Rockmusiker Alice Cooper (Mark McKenna) hat es James nie gegeben. Der auf mehreren Assistenten von Dalí basierende junge Mann dient vielmehr als Schlüssel für diesen elitären Kreis.
Stakkato der Skurrilitäten
Immer wenn der Film James’ naiv staunende Perspektive auf den von Ben Kingsley etwas zu kauzig-niedlich gespielten Dalí einnimmt, kommt „Dalíland“ über angestaubte Künstlerklischees nicht hinaus. Die Filmmusik von Edmund Butt betont die weniger gelungenen Seiten des Films zusätzlich, wenn er mit beschwingtem Stakkato die Skurrilität Dalís unterstreicht oder mit lieblich kitschiger Klaviermusik auf den Menschen hinter der pompösen Selbstinszenierung hinweist.
„Dalíland“ wirkt manchmal seltsam altmodisch, lüftet seinen Schleier aus Nostalgie und romantischem Geniekult aber durchaus. Aufschlussreich ist etwa, dass kein einziges von Dalís berühmten Bildern zu sehen ist. Egal ob es um die geschmolzenen Uhren aus „Die Beständigkeit der Erinnerung“ geht, das amorph erotische Ungeheuer in „Der große Masturbator“ oder ein Porträt von Dalís russischer Muse Gala (Barbara Sukowa): der Blick auf die Bilder wird konsequent vorenthalten.
Die Aufmerksamkeit verschiebt sich stattdessen auf die weniger glamourösen, auch unwürdigen Facetten des Künstlerlebens: auf Dalís Abhängigkeit zur spröden, geschäftstüchtigen Gala oder wie er immer mehr zum Leidtragenden seiner eigenen Kommerzialisierung wird. Um seinen ausschweifenden Lebensstil finanzieren zu können, signiert Dalí massenweise leere Blätter, die später minderwertig bedruckt und zu horrenden Preisen verkauft werden.
Die hohle Pose der Exzentrik
Der Film hat eine Schaffensphase gewählt, in der sich große Teile der Kunstkritik bereits von Dalí abgewandt hatten. Geblieben sind vor allem jene, die von ihm profitieren wollen. Ähnlich wie in „I Shot Andy Warhol“ und „Charlie Says“ widmet sich die Regisseurin Mary Harron dem mitleidslosen und ausbeuterischen System rund um eine charismatische Führerfigur.
In den gelungensten Momenten entlarvt „Dalíland“ die offensive Exzentrik des Protagonisten als hohle Pose. Wie die zerrinnende Zeit in seinem bekanntesten Bild wird Dalí auf ernüchternde Weise mit seiner eigenen Vergänglichkeit konfrontiert. Von der aufbrausenden Energie, die der junge Künstler (Ezra Miller) noch in einer Rückblende besaß, ist nur noch Narzissmus, Wehleidigkeit und sture Realitätsverweigerung geblieben. Wie sehr Dalí und Gala gegen das Altern ankämpfen, hält Harron in einer Szene fest, in der sie sich vor dem Spiegel für eine Party schminken. Während sie sorgfältig ihre Perücke richtet, färbt er sich seinen grauen Zwirbelbart.
Selbstinszenierung ist im Film harte Arbeit. Ständig spricht Dalí von Sex, masturbiert aber nur schüchtern hinter einem Vorhang, während er die Jungen beim Knutschen beobachtet. Eifersüchtig blickt er zudem auf Gala, die einem jungen Musiker verfällt, von dem sie sich ausnutzen lässt. Mit ihren extravaganten Kostümen und theatralischen Gesten lassen Kingsley und Sukowa manchmal einen Hauch von Schmierentheater aufkommen; so als wären die beiden Opfer ihrer eigenen Überspanntheit geworden. In einem bezeichnenden Moment streiten sie sich hinter den Kulissen einer Vernissage und purzeln dabei slapstickhaft in den Ausstellungsraum. Dem verdutzten Publikum weiß einer von Dalís Mitarbeitern die Darbietung geistesgegenwärtig als Performance zu verkaufen.