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Filmkritik
Helga lebt seit zwei Jahren von ihrem Mann getrennt in dem gemeinsamen Haus, die erwachsene Tochter ist ausgezogen. Verpflichtungen hat sie keine mehr. Der monotone Alltag, in dem eine polnische Putzfrau, Treffen mit Freundinnen zum Kartenspiel und ein Konzert-Abo für Abwechslung sorgen, macht ihr zu schaffen. Als sie abends eine Spinne von der Decke holen will und dabei von der Leiter fällt, bleibt sie in einer Lüftungsvorrichtung stecken. Die Putzfrau befreit sie am nächsten Morgen, verkündet ihr aber, dass in nächster Zeit ihr Bekannter Ryszard das Saubermachen übernehmen werde.
Zbigniew Zamachowski mimt als dieser Bekannte einen Mann, dem das Leben übel mitgespielt hat, der sich aber zu wehren weiß. Er hat in der polnischen Provinz ein Haus gebaut, verfügt aber über kein Einkommen. Seine Frau ist inzwischen gestorben. Er verdingt sich in Deutschland als Putzkraft, Bauarbeiter und Mann für alles. In Helgas Fall übernimmt er das Wäschewaschen, Reparaturen und sogar die Rolle des Liebhabers, zunächst aus Mitleid für die einsame, zerbrechlich wirkende Frau, mit der er sich nicht wirklich verständigen kann, da sie kaum Englisch und er kein Deutsch spricht.
Wohlstandsbürger & Außenseiter
Umso mehr vermag Ryszard ihre Körpersprache zu dechiffrieren, und die ist nicht immer wohlwollend. Mitunter schleichen sich Gesten der Überlegenheit gegenüber dem auf ihr Geld angewiesenen Mann ein, und das, obwohl es eher Helga ist, die ohne seine Aufmerksamkeit zu verkümmern droht.
In ihrem Umfeld sorgt die ungleiche Beziehung für Stirnrunzeln, zumal auch die eine oder andere Freundin Ryszards Dienste in Anspruch nimmt und latente Eifersüchteleien entstehen. Auf einer Gartenparty wird Ryszard mit dem selbstgerechten Vorwurf konfrontiert, warum er denn bislang noch nicht Deutsch gelernt habe. Die Frage stellen Wohlstandsbürger in gebrochenem Englisch, die gerade noch von ihrer Schiffsreise nach Norwegen geschwärmt haben und Polen für kein geeignetes Urlaubsland halten. Anstatt ihren neuen Partner in Schutz zu nehmen, schließt sich Helga der vorgeheuchelt freundlichen Ausgrenzung aus Scham an und faucht ihn wie einen Diener herrisch an, er solle wegen ihrer Allergie aufhören, den Hund der Gastgeber zu streicheln. Erst als Ryszard nach diesem erniedrigenden Verrat den Kontakt abbricht und nach einer von ihr erzwungenen Aussprache ihre eigenen Vorurteile entlarvt, beginnt bei Helga ein Selbsterkenntnisprozess, in dem sie sich nicht nur endlich auch emotional von ihrem fremdgegangenen Ex-Mann löst, sondern Ryszards Qualitäten wie Integrität und Selbstachtung gegen alle Widerstände hinweg erkennt.
Eine Achterbahn der Gefühle
Autorin und Regisseurin Mareille Klein nimmt sich für dieses mit lakonischem Humor gespickte Porträt einer Frau über sechzig, die in ihrem letzten Lebensabschnitt mit keinen Höhepunkten mehr rechnet, viel Zeit. Sie verzichtet auf ablenkende Bildfindungen, verweilt bei Alltagsverrichtungen und registriert in den Gesichtern des Duos Erleichterung, Hoffnung oder Kränkung. Die Achterbahnfahrt der Gefühle nimmt man der Theaterschauspielerin Ulrike Willenbacher und Zbigniew Zamachowski in jeder Szene ab, obwohl sie am Anfang wie zwei unfreiwillig Gestrandete aus fremden Galaxien wirken. Auch die sorgfältig besetzen Nebenfiguren fügen sich stimmig in das Bild der saturierten Senioren, die nie den sozialen Abstieg fürchten mussten und deswegen keinerlei Empathie für weniger Privilegierte besitzen, dafür aber ihre vermeintlich höhere Stellung umso genüsslicher ausspielen.
„Da kommt noch was“ gelingt eine perfekte Balance zwischen Stimmungslagen, erzählerischer Haltung und der Behauptungskraft einer zu lange vernachlässigten Frau. Die Inszenierung hält diese Fäden mit großer Sicherheit in der Schwebe und knüpft aus Satire und Gesellschaftsbeobachtung, gefährlich tickenden Vorurteilen und Lebensdrama, Selbstzufriedenheit des Wohlstands und den Hürden des mühsamen Anschlusses ein berückendes Bild des lange verhinderten Glücks.