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Filmkritik
Dieser Film ist ganz offensichtlich auf ein möglichst großes Leinwandformat konzipiert. Wir sahen ihn auf einer Cinerama-Leinwand und befürchten, daß der gute Eindruck, den wir empfangen haben, bei der Projektion auf eine der hierzulande üblichen Cinemascope-Bildwände nicht in vollem Maße nachempfunden werden kann. John Ford hat nämlich Handlung und Stil in einem bisher seltenen Maße den Eigengesetzlichkeiten des monumentalen Bildes anzupassen gewußt. Damit führt er konsequent fort, was er in seiner Episode des Cinerama-Films "Das war der Wilde Westen" begonnen hatte. Die Story läßt sich in wenigen Sätzen zusammenfassen: Nur 286 Männer, Frauen und Kinder sind von dem Stamm der Cheyenne-Indianer am Leben geblieben, nachdem die Weißen sie 1877 in die Reservation nach Oklahoma geschickt hatten, wo die Indianer völlig ungewohnte Lebensbedingungen vorfanden. Die von der Regierung versprochene Hilfe bleibt aus, und so macht sich der Stamm eines Tages auf, die vielen hundert Meilen in seine Heimat zurückzukehren. Von blutdürstigen Gerüchten, Soldaten, Hunger und unwirtlichem Klima verfolgt, zerfällt der Rest des stolzen Volkes. Erst nach einem langen Leidensweg treffen bessere Nachrichten für die wenigen Oberlebenden ein. Ein Offizier hat den Innenminister Carl Schurz über die wahre Sachlage unterrichtet, der sich nun für eine gerechte Behandlung einsetzt. - In Handlungsführung und Charakteristik hat es sich Ford fraglos zu einfach gemacht. Das Porträt, das er von den Indianern entwirft, ist ebenso maßlos idealisiert, wie es für gewöhnlich zum Bösartigen verzeichnet wird; die Schlußlösung versucht, einen allerseits befriedigenden Status zu suggerieren, der den historischen Tatsachen hohn spricht. Was den Film trotz solcher Schwächen und trotz der routinehaften Konflikte auf dem langen Zug anziehend macht, ist allein seine formale Gestaltung. Obwohl auch hier geritten, geschossen und gerauft wird wie in jedem Western, hat Ford so etwas wie einen Anti-Action-Film geschaffen. Das Geschehen entwickelt sich in breiten, beschaulichen Bildfolgen, die Spielraum lassen für die Phantasie. Der Mensch wird nicht isoliert begriffen, sondern stets in seiner Beziehung und Verantwortung gegenüber der Umwelt; er lebt nicht zufällig in einer wilden, bizarren Landschaft, sondern er sieht sich in seiner Existenz ihren Einflüssen ausgesetzt. Fords Denkmal für die Indianer ist ein betont epischer Film, zu dessen Vorzügen nicht zuletzt die immerwährende Einbeziehung der grandiosen Naturkulisse gehört. Dieser epische Stil entspricht den Voraussetzungen der großformatigen Leinwand, mit der Ford überraschend viel anzufangen weiß. Immer wieder führt er Bewegung in grafisch klaren Diagonalen ins Bild ein, achtet er bei länger fixierten Standaufnahmen darauf, daß mehrere horizontale parallele Ebenen hintereinandergelagert sind. Dadurch erhält der Film eine bemerkenswerte Kontinuität des rhythmischen Ablaufs, wirkt kaum jemals zerfahren (wie es Eigenschaft der meisten Cinemascope-Western ist) und beschäftigt das Auge des Betrachters so sehr, daß die spärliche Handlung keine Langeweile hervorbringen kann. Leider schien Ford seiner Kunst selbst nicht ganz zu trauen; denn er fügte zwei ärgerliche Konzessionen in den Film ein: die Episode mit dem karikierten Marshall Wyatt Earp und den sich in einem Trunksuchtskoller entladenden seelischen Konflikt eines Fort-Kommandanten. Besonders die den herkömmlichen James-Stewart-Klischees verpflichtete Gaudi-Szene mit lässigem Kartenspiel und leichten Mädchen steht gänzlich beziehungslos in der Mitte des Films, unzureichend mit der Handlung verzahnt und optisch so schwach, daß sie sich nur als Aufmunterung für ein Publikum verstehen läßt, das nicht gewillt ist, auf den beschaulich breiten Fluß des Films einzugehen. Alles in allem wird man "Cheyenne" als einen bemerkenswerten Versuch ansehen dürfen, einen epischen Western-Stil zu kreieren. Ohne die Idealisierungen und Konzessionen, mit etwas mehr Nüchternheit und weniger heroischer Typenzeichnung als hier, könnte John Fords Bemühen eine neue Befruchtung für dieses älteste Genre des Films bedeuten.