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Filmkritik
Ein kalter Silvesterabend. Wie überall auf der Welt feiern die Menschen auch in Baltimore ausgelassen das Ende des Jahres. Sie tanzen auf den Terrassen der Hochhäuser, verbringen Zeit mit ihren Liebsten. Dann, wie aus dem Nichts, zischen Projektile durch die Luft. Durchschlagene Körper. Menschen gehen zu Boden. Der Tod ist nur ein Fingerschnippen – lautlos und präzise.
Ein Scharfschütze hat sich eine leerstehende Wohnung in einem Hochhaus gesucht. Von dort aus hat er beste Sicht auf die verglasten Apartments. Er beginnt wahllos, ohne erkennbares Muster, zu töten. Am Ende sind 29 Menschen tot. Die Wohnung sprengt er in die Luft. Von ihm, dem Killer, fehlt jede Spur. Kein Fingerabdruck, keine Hautschuppe, nicht das kleinste Härchen. Alles, was zurückbleibt, ist ein leeres Entsetzen, eine Stadt unter Schock.
Erfahrener Ermittler und Polizistin mit Intuition
Der erfahrene und eigensinnige FBI-Agent Lammark (Ben Mendelsohn) wird in „Catch the Killer“ unmittelbar auf den Fall angesetzt. Die politische Situation ist undurchsichtig. Der Täter soll so schnell wie möglich gefasst werden, denn das ohnehin angekratzte Image der Stadt kann keinen Serientäter gebrauchen, da wichtige wirtschaftliche Entscheidungen anstehen. Das vernebelt selbstverständlich den Blick. Lammark weiß, dass sich hier Kräfte einmischen, die keinen Schimmer von guter, bedachter Polizeiarbeit haben: Karrieristen und machtgierige Politiker ziehen ihre eigenen Fäden. Es ist eine Schlangengrube.
In all diesem Durcheinander fällt dem Ermittler die junge Streifenpolizistin Eleanor Falco (Shailene Woodley) auf. In der Tatnacht hat die Frau einen guten Instinkt bewiesen, indem sie ihren Kollegen auffordert, alle aus dem Gebäude kommenden Personen mit dem Handy zu filmen. Schnell zeigt sich ihre Gabe, Situationen und Menschen zu lesen: eine beinahe unheimliche Intuition. Auf sie kann sich der alte FBI-Mann verlassen, da ist er sich sicher.
Ohne viel über die Vergangenheit von Falco zu wissen, macht sie Lammark zu seiner Vertrauten, nimmt sie in sein Team auf – sie, die von Selbsthass und Zweifeln getrieben wird. Allein in ihrer beengten Wohnung, wo der Putz im Badezimmer von der Decke fällt und nur die Katze wartet, wiegt die Melancholie schwer. Wenig wird von ihrer Biografie verraten. Vieles aber wird spürbar, in den ruhigen Bildern und den poetischen, den dominierenden Realismus schneidenden Stimmungen.
Fragilität könnte zum Trumpf werden
Ursprünglich hatte sich Falco beim FBI beworben, wurde aber aufgrund ihrer Drogenerfahrungen und labilen Psyche abgelehnt. Ausgerechnet diese Fragilität könnte in diesem Fall zum Trumpf werden. Da macht sich Lammark keine Illusionen: Seine neue Kollegin könnte auch auf der anderen Seite des Gesetzes stehen, nicht unähnlich dem soziopathischen Killer, dem sie auf der Fährte sind. Was führt dazu, dass die einen eine Grenze übertreten, während die anderen weitgehend stabil bleiben?
Je tiefer Lammark und Falco nun auch graben – sie stoßen auf keinen Grund. Der Killer ist ein Phantom. Als dieser sich nur noch mittels eines Amoklaufs aus einem Einkaufszentrum befreien kann, scheint sich die Schlinge zuzuziehen. Doch nicht könnte weiter von der abgründigen Wahrheit entfernt sein.
„Catch the Killer“ wird sich jeglicher Helligkeit entsagen. Der argentinische Regisseur Damián Szifron, der mit seiner schwarzen Komödie „Wild Tales“ 2014 auf sich aufmerksam gemacht hat und sogar für den „Oscar“ nominiert war, hat einen nihilistischen Copthriller gedreht, dem es weniger um reißerische Spannung als um psychische Anspannung geht, die jedoch zu keinem Zeitpunkt psychologisch ausgedeutet wird.
Eine übersättigte Kultur der Leere
Vielmehr wird eine komplexe Betrachtung der amerikanischen Gesellschaft mit dem Kriminalplot verbunden, in der die sogenannte menschliche Natur gegen eine übersättigte Kultur der Leere gestellt wird. Das Böse schlummert überall, und die Arbeit der Polizei ist nur die Seite derselben Medaille aus Schmerz und Einsamkeit. Bei aller Schwere behält „Catch the Killer“ einen ungemeinen Sog, der vor allem durch die schwebend-taumelnden Bilder von Kameramann Javier Julia und das grandiose Zusammenspiel von Mendelsohn und Woodley entsteht. An keiner Stelle hat man das Gefühl, auch nur einen Schritt, eine Reaktion oder gar die Auflösung vorhersagen zu können. Dass letztere erst gar nicht versucht, für eine Überraschung zu sorgen, sondern vollkommen ruhig und folgerichtig das Spektakel unterläuft, ist schlichtweg grandios.
Derartige Filme sind im Kino selten geworden. Klassische Thriller und Krimiplots dieser Art findet man eher im Format der Serie: „Kommissarin Lund“ und das amerikanische Remake „The Killing“ sind Referenzen. Ein wenig drängt sich auch der Vergleich zu „The Sinner“ mit Bill Pullman auf. Damián Szifron zeigt jedoch, welcher Reiz in der Verdichtung des Films liegt, wenn eben nicht alle seelischen Winkel einer Figur ausgeleuchtet werden und das bloße Warum, der Fokus auf die Handlung in den Hintergrund tritt: „Catch the Killer“ wirkt wie ein gefährliches Tier, das sich zusammenkauert und in den richtigen Momenten aufbäumt: mehr Zustand als Erzählung. Eine grandiose Reise in das existentielle Schattenreich des menschlichen Lebens.