- RegieHermann Vaske
- ProduktionsländerDeutschland
- Produktionsjahr2023
- Dauer81 Minuten
- GenreDokumentation
- Cast
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Filmkritik
Der Klimawandel, die Corona-Pandemie, die Unterdrückung iranischer Frauen durch das Mullah-Regime, Russlands Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Diese Themen haben kaum mehr gemein, als dass sie mit dem Euphemismus „krisenhafte Entwicklungen“ nur unzureichend benannt sind. Sie kommen aber alle im jüngsten Film von Hermann Vaske über Kreativität vor. Zwar sind diese Phänomene nur lose miteinander verbunden. Doch Vaske überlegt, ob es für sie nicht eine einzige Lösung gibt. „Kann Kreativität die Welt retten?“, fragt er sich und den Zuschauer, aber auch eine beeindruckende Anzahl Prominenter aus Kunst, Musik, Schauspiel oder Politik. Zwischendurch sieht man immer wieder Bilder von aktuellen Konflikten.
Vaske scheint anzunehmen, dass Kreativität vornehmlich omnipräsenten Mediengesichtern innewohne. Er beginnt seine Interviews mit Cate Blanchett, die sichtlich geschmeichelt ob der ihr zugeschriebenen Expertise zu erkennen gibt, seinen Ansatz für höchst interessant zu halten. Vaske hält sich allerdings nicht lange mit ihr auf, denn sein Film funktioniert wie eine Großwildjagd. Je mehr Promis der eifrige Trophäensammler vor die Kamera bekommt, desto mehr kann er seinem Publikum präsentieren. Umso geringer allerdings auch die Wahrscheinlichkeit, einmal konkret zu werden: darüber, was Kreativität eigentlich ist, und ob man sie nicht auch zu denkbar destruktiven Zwecken einsetzen kann. Man brauche sich ja nur einmal zu überlegen, welchen gigantischen Ressourcenverbrauch die überaus kreative und nutzbringende Erfindung der Dampfmaschine in Gang gesetzt hat. Skeptische Naturen wie Fotograf Oliviero Toscani deuten einige Kehrseiten wenigstens an.
Zufallsfunde im Durchlauf an O-Tönen
Es ist nicht so, dass man in diesem Film keine klugen und nachdenklichen Worte zu hören bekommt. Etwa als die Filmemacherin Shirin Neshat über den Ungehorsam iranischer Frauen gegenüber dem Kopftuchzwang berichtet; oder das geerdete Bekenntnis von Salman Rushdie: Er glaube kaum, dass Schriftsteller eher zur Rettung der Welt beitragen als Zahnärzte. Eindrücklich auch, wenn Isabella Rossellini durch ihren „Green Porno“ über das Fortpflanzungsverhalten Humor zur Bewältigung der Krise empfiehlt; oder wenn John Cleese feststellt: Der Schlüssel zur Kreativität ist das Spiel. Doch derlei interessantere Stellen wirken in diesem Durchlauf an O-Tönen eher wie Zufallsfunde.
Der Film präsentiert immer wieder auch verstorbene Größen wie Christo und Jeanne-Claude, die in einem früheren Teil der Kreativitäts-Reihe vorkamen. Egal, Promis können nie schaden. Zu oft fühlt man sich dadurch an Hollywood-Produktionen mit zu vielen Stars erinnert. Am Voice-Over fällt vor allem der expressive Überschuss auf, mit dem die Zitate der Interviewten unterlegt werden. Als der U2-Sänger Bono in ruhigem Ton von einem Konzert im Sarajevo während der 1990er-Jahre berichtet, macht sein Sprecher ein pathetisches Drama daraus. Dieser auch bei der Übertragung des Beitrags von Cate Blanchett anklingende exaltierte Vortrag lenkt merklich vom Inhalt ab.
Den Teelöffel zur Hand nehmen
Am Ende kommt dann noch einmal Amos Oz’ Theorie des Teelöffels ins Spiel. Wer zur Löschung eines Brandes kein Glas hat, der soll einen Teelöffel zur Hand nehmen. Diese an die Kraft des Einzelnen appellierende Metapher steht in seltsamer Spannung zum Spektakel-Ansatz des Films. Doch womöglich ist man bis dahin längst schon von all den Zitaten erschlagen. Der Mythos scheint unzerstörbar zu sein, dass noch das banalste Gerede tiefgründig werde, sobald es mit Vokabeln wie Kultur oder Kreativität in Berührung kommt. Dabei bleibt ausgerechnet die Kreativität als Begriff seltsam unerforscht. Würde man Vaskes Film ohne Vorkenntnisse anschauen, könnte man auch auf einen anderen Titel verfallen: „Prominente retten die Welt“.