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Filmkritik
Der Plan ist so einfach wie verwegen. Die Einnahmen des Drogenbarons Temple (Vinnie Jones), die auf seinem Schrottplatz regelmäßig in bar den Besitzer wechseln, abgreifen, schnell mit dem Auto auf dem Highway Richtung Süden verschwinden, am nächsten Morgen zu einem Kumpel in dessen Maschine auf einem abgelegenen Flugplatz klettern und dann den lieben Gott im Paradies einen guten Mann sein lassen. So hatte sich das der Kleinganove Thief (James Clayton) vorgestellt. Ein paar Verwundete auf der anderen Seite sind dabei durchaus einkalkuliert. Kein Massaker, denn der Mittdreißiger ist kein Unmensch und will vor allem kein großes Bohai.
Mia (Lina Lecompte) hingegen hat die Schnauze voll. Ihr Mann ist herrschsüchtig, gewalttätig und besitzergreifend. Der erfolgreiche Drogenbaron hat mit der jungen Latina eben einen Stammhalter gezeugt und freut sich auf das traute Familienleben. Doch die hochschwangere Mia plant den Abflug und hat ein Auto samt Chauffeur organisiert, der sie am Abend in ein Motel und von dort aus nach Kolumbien schaffen soll.
Ein dünner, aber reißfester Erzählfaden
Dumm nur, dass beide Coups am gleichen Nachmittag stattfinden und der leidlich geglückte Raub im gerade greifbaren Auto auf dem Schrottplatz finalisiert wird, in dessen Kofferraum Thief später die verstörte Mia findet. Zwar haben die beiden fortan denselben Feind, doch nun ist das große Bohai da, das Thief nicht wollte. Denn ganz egal, welcher Zufall die beiden zusammengeführt hat: Der ultrabrutale Temple nimmt es fortan persönlich. Immerhin geht es jetzt auch um seinen Sohn.
Ein gutmenschelnder Dieb, eine sympathische Schwangere, eine Horde Kartellbrutalos und ein Zeitfenster, das bis maximal 7.10 Uhr reicht, weil im Flugverkehr andere Regeln gelten als auf der Flucht. Regisseur James Clayton hat sich einen sehr dünnen, wenngleich bewährt reißfesten Faden ausgesucht, um daraus einen Road-Movie-Thriller zu stricken. Damit auch alles andere passt, hat er sich als Produzent auch das Geld besorgt und neben der Regie auch noch die Hauptrolle zugedacht.
Das Resultat ist einer jener geradlinigen Genrefilme, wie man sie früher in den Videotheken für einen Euro obendrauf bekam, wenn man sich den aktuellen Blockbuster auslieh. Das „Bullet Proof“ im Zeitalter der Streaming-Schwemme sogar ins Kino kommt, könnte man als mittleres Wunder bezeichnen. Der Film hat es durchaus verdient, denn was hier in 82 kurzweiligen Minuten präsentiert wird, braucht die große Leinwand nicht zu scheuen: ein solide spannender und auch filmisch gelungener Actioner.
Ein einziger Dialogsatz genügt
Der gut achtminütige Prolog, der das Geschehen auf dem Schrottplatz zum Inhalt hat, kommt auf der Tonspur mit gerade mal einem Dialogsatz sowie dem 1980er-Jahre Evergreen „Ride Like the Wind“ von Christopher Cross aus, ohne dass man etwas vermissen würde. Solide Autostunts reichen, um den Protagonisten als sympathischen „Lucky Looser“ zu etablieren, dem man gerne bei dem folgt, was bis um 7:10 Uhr am nächsten Morgen noch so alles schief gehen kann.
Allerdings gehört das Dialogbuch dann im Folgenden nicht zu den Stärken des Films, denn wenn Thief bei einer Polizeikontrolle etwa seine blutige Schulter mit dem Argument rechtfertigt, er habe sich einen (besonders großen) Dartpfeil eingefangen, wünscht man sich doch die Stille und Christopher Cross’ Evergreen vom Anfang zurück.
Neben dem sympathischen Protagonisten, der keinen Superhelden mimt und vor dem ersten Bad Guy erstmal wegrennt, bevor er sich dann doch kloppt, braucht ein B-Picture vor allem einen echten Bösewicht. Den hat Clayton mit Ex-Fußballer Vinnie Jones gefunden; das verleiht dem Film zwar eine gewisse Starpower, ist dem Werk insgesamt aber eher abträglich. Jones, der um die Jahrtausendwende als Archetyp des britischen Beißers durchging, ist inzwischen ein Akteur, dessen stummfilmhafte Wahnsinns- und Wutgrimassen weniger Respekt denn unfreiwillige Komik hervorrufen. Dabei hätte Clayton doch mit dem von Danny Mac verkörperten Sidekick Skinny über einen weit überzeugenderen, wenngleich unbekannteren Brutalo verfügt; die Spannungskurve wäre dadurch konsequenter auf Höhe gehalten worden als mit „Grim Face“ Vinnie Jones.
Christoph Cross & „Ride Like the Wind“
Dennoch nimmt „Bullet Proof“ einen fast versöhnlichen Verlauf, bis der Showdown ein fast schon Edelwestern-haftes Ende einläutet. Spätestens hier aber merkt man, dass man mit alten Autos und schäbigen Flugzeugen so viel unatmosphärischer in den Sonnenaufgang verschwindet als mit einem Pferd. Vielleicht hätte auch hier Christopher Cross’ „Ride Like the Wind“ einmal mehr Wunder gewirkt.