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Filmkritik
Es ist ein versöhnlicher Gedanke, dass Liebe universell ist und alle Menschen gleich sind. Der kratzbürstige Held aus „Bros“ hält das aber für Blödsinn. Bobby (Billy Eichner) ist als Moderator eines queeren Podcasts und neuer Co-Kurator des LGBTQ+-History-Museum in Manhattan gewissermaßen ein Berufsschwuler mit unerschöpflichem aktivistischen Eifer. Als er in einem Interview mit dem gerne von Großkonzernen zur Imagepflege benutzten Slogan „Love is Love“ konfrontiert wird, platzt es aus ihm heraus: Das mit der Liebe unter Männern sei ganz anders und überhaupt sei er sicher nicht einer von diesen „netten Schwulen“, über die immer alle reden.
Ein ungewohnt freizügiger Mainstreamfilm
In einer Art Meta-Moment vergleicht Bobby einmal Meg Ryans anonyme Brieffreundschaft aus dem Film „Email für Dich“ mit seinen misslungenen Dates über die Grindr-App. Und tatsächlich setzt „Bros“ nicht allein auf die Erfolgsformel einer romantischen Komödie, sondern versucht herauszufinden, wie man innerhalb von Genrekonventionen eine spezifisch schwule Liebesgeschichte erzählen kann.
Der durch Komödien wie „Männertrip“ und „Bad Neighbors“ bekannte Regisseur Nicolas Stoller versucht sich dabei an einem Mainstreamfilm, der ungewohnt freizügig ist und keinerlei Rücksicht auf eventuelle heterosexuelle Abwehrreflexe nimmt.
In Bobbys betont diversem Freundeskreis ist von eheähnlichen Zuständen bis freier Liebe alles vertreten. Nur er selbst, ein dauerquasselnder, sarkastischer, sein Gesicht oft angewidert zur Grimasse verziehender Mitvierziger, weiß nicht so genau, was er eigentlich will. Bis Aaron (Luke McFarlane) auf der Bildfläche erscheint, der als „heiß, aber langweilig“ charakterisiert wird und in vieler Hinsicht das genaue Gegenteil von Bobby ist: muskulös, still, kerlig und ein Fan des unter Schwulen nicht besonders populären Country-Stars Garth Brooks.
Zwar läuft auch „Bros“ letztlich auf eine klassische Paarkonstellation hinaus, aber der Weg dorthin ist ergebnisoffener. Die Komik basiert häufig auf den verhinderten Versuchen, ein passendes Verhältnis zueinander zu finden. Abfuhren, Enttäuschungen und ein epochal gescheiterter Vierer inklusive. Sind die beiden also, wie der Titel nahelegt, doch nur Kumpels, die ab und zu miteinander Sex haben? Der Umgang miteinander gleicht einem offenen Experiment. Im Bett stürzen sie sich wie bei einem Ringkampf aufeinander, bei dem sich derbe Dominanzgesten und zärtliche Annäherungen abwechseln.
Die Genialität von Barbra Streisand
Klassische männliche Rollenbilder wirken in „Bros“ manchmal wie ein Fluch, dem man nicht entkommt. Warum also nicht einfach spielerisch mit ihnen umgehen? Einmal schlüpft Bobby in eine andere Identität, unterdrückt seine Extravaganz, verstellt seine Stimme und reißt im Fitnessstudio einen Bodybuilder auf. Als seine Maskerade unfreiwillig fällt, können sich die beiden zumindest auf die Genialität von Barbra Streisand einigen.
Mit der Zeit gibt es Reibungen zwischen Aarons falscher Scham und Bobbys notorischen Frontalangriffen. Nachdem sie sich einen schwulen Cowboyfilm angesehen haben, treffen sie im Kinofoyer zufällig einen Schulfreund von Aaron. Als der, peinlich berührt, zu verschweigen versucht, was er sich gerade angesehen hat, fühlt sich Bobby zu einer sehr konkreten Antwort verleitet.
Manchmal ähnelt „Bros“ seinem Protagonisten vielleicht etwas zu sehr. Die Rahmenhandlung um das Museum, in dem Bobby eine Ausstellung über die vermeintliche Homosexualität von Abraham Lincoln kuratieren soll, wird dabei immer wieder als historisches und politisches Pflichtprogramm genutzt. Wenn im Museumskomitee jeweils eine Lesbe, ein Bisexueller und eine Transperson sitzen, führt das zwar zu einigen lustigen Interessenkonflikten, doch teilweise betont der Film etwas übereifrig-umsichtig, dass es immer noch jemanden gibt, der es schwerer hat als man selbst.
Verständnisvoll & lebensbejahend
Stoller gelingt es dennoch meistens, komische Szenen auf den Punkt zu inszenieren und seine ernsteren Themen glaubhaft in den Figuren aufzulösen. Als Aaron das Museum besucht, kann er mit der trockenen Darstellung queerer Pioniere nichts anfangen, bis er sich schließlich in einer Ausstellungsvitrine spiegelt und damit selbst Teil dieser Geschichte wird. Die Qualität von „Bros“ besteht darin, dass er seinen Lehrauftrag dann doch immer wieder für die individuellen und lebensnahen Kämpfe der Protagonisten vernachlässigt.
In einer längeren, emotional sehr dichten Szene gelingt es schließlich auch, den Blick auf die Hauptfigur zu verändern. Bobby, der mit seiner aufbrausenden Art und dem ständigen Gemäkel alles andere als ein klassischer Sympathieträger ist, quasselt darin zunächst gewohnt drauf los, erzählt dann aber plötzlich von quälenden Erfahrungen aus seiner Jugend. Auf einmal begegnet man seinem unermüdlichen Beharren auf der eigenen Identität mit Verständnis, weil klar wird, dass er sich mit seinem unangepassten Auftreten gegen alles auflehnt, was ihn einst verletzt hat.
Weder egal noch dasselbe
„Bros“ ist verständnisvoll, lebensbejahend und befreiend, ohne dabei unehrlich zu wirken. Die Erfahrung, die Bobby und Aaron teilen, besteht darin, sich selbst zurücknehmen, damit andere sich nicht unwohl fühlen. Statt vermeintliche Schwächen zu glätten und Unterschiede gänzlich zu überbrücken, bewahrt sich der Film einen Rest an Widersprüchen. Nur weil es egal ist, ob man Barbra Streisand oder Garth Brooks mag, ist das noch lange nicht dasselbe