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Filmkritik
Ein Sonderpreis auf Waffeleisen löst die Katastrophe aus. Bald ist die Horde, die sich vor dem Supermarkt versammelt hat, nicht mehr zu halten. Anders als bei George A. Romero, dessen „Dawn of the Dead“ hier zitiert wird, sind diejenigen, die hier die Barrikaden durchbrechen, keine Untoten, die Konsumsüchtige mimen, sondern Konsumsüchtige, die Hirntote mimen. Die Massen durchbrechen die Glastüren, stürzen sich auf die aufgetürmten Waffeleisen und trampeln dabei alles und jeden nieder. Körperteile brechen wie dünne Zweige, ein Einkaufswagen zerschmettert den Schädel einer Unschuldigen: die Details des Blutbads filmt Evan (Tomaso Sanelli) mit seinem soeben aus der Hülle geholten Smartphone. Für einen viralen Hit braucht es Gewalt. Oder, wie der High-School-Schüler es halbironisch verkündet: „Niemand hat mehr einen Sinn für Subtilität.“
Damit ist die Bühne bereitet für den Slasherfilm, der ursprünglich als Fake-Trailer in Robert Rodriguez’ und Quentin Tarantinos „Grindhouse“ (2007) konzipiert wurde. Sechzehn Jahre später findet „Thanksgiving“ nun als klassischer, direkt an das Slasher-Kino der 1970er-Jahre anknüpfender Langfilm in die Kinos. Wie in zahlreichen Klassikern des Genres ist es auch hier die Zeit der Feiertage, die den Beginn einer Mordserie markiert. Exakt ein Jahr nach dem für die Pilgerstadt Plymouth in Massachusetts traumatischen Thanksgiving-Abend taucht ein maskierter Mörder auf, der Jagd auf all jene macht, die auf die eine oder andere Art am Unglück beteiligt waren. Primärziel ist die Clique von High-School-Schülerin Jessica (Nell Verlaque), die zum Zeitpunkt der Katastrophe die ersten im Supermarkt waren.
Wo kein Anstand mehr zu finden ist
„Thanksgiving“ arbeitet sich recht geradlinig in Richtung der Sauereien vor, die es im falschen Trailer zu bestaunen gab. Erneut beweist Regisseur Eli Roth, dass seine Stärken eben dort liegen, wo kein Anstand mehr zu finden ist. Derber Humor, ekliger Splatter, sadistische Folter oder eben alles zusammen: Roth besudelt die Leinwand, gibt zynische, anarchische, lächerliche, qualitativ stark schwankende, oft aber zumindest innovative Impulse. „Thanksgiving“ ist zweifellos noch einer der gemäßigteren Einträge in Roths Filmografie. Gemessen an der Hemmungslosigkeit, die sein Fake-Trailer verspricht, mag einem der Film fast allzu wenig anarchisch vorkommen. Was nicht heißt, dass es in „Thanksgiving“ allzu zimperlich zuginge. Die angekündigten Widerlichkeiten löst Roth pflichtbewusst ein: ein knusprig gebackener, als Truthahn servierter Mensch, ein mit der Axt enthauptetes Maskottchen, eine Klinge, die unter den Minirock einer Cheerleaderin sticht und so weiter.
Überhaupt kann man dem Miterfinder des Torture-Porn-Genres kaum vorwerfen, er liefere nicht das, was einst versprochen wurde. Im Gegenteil: Dort, wo es grobschlächtig wird, wo zitatfreudig – von George A. Romero über John Carpenter bis Mario Bava wird auf zahlreiche Genregrößen angespielt – garstig und erfindungsfreudig gemordet wird, kommt der Film ganz zu sich. Die moralische Grundierung fällt nicht weniger grob, aber doch deutlich weniger gelungen aus. Wie in Roths Vorgängerfilmen „Cabin Fever“, „Hostel“ und „The Green Inferno“ sind die Protagonistinnen von „Thanksgiving“ in erster Linie nervige Teenager, denen der Filmemacher offenkundig nicht nur wegen ihres Konsumdenkens einen Denkzettel verpasst.
Bestrafung in der Tradition des Genres
Natürlich entstammt auch die Idee der Bestrafung einer langen Traditionslinie des Genres. So tritt der Mörder im Film, ganz im Sinne des titelgebenden Feiertags, als puritanischer Pilgerführer John Carver auf. Allerdings bestraft er eben nicht die sexuelle Freizügigkeit der Teenager (der einzige Slasher-Topos, auf den Roth gänzlich verzichtet), sondern all jene, die den Erntedank nicht ernst nehmen. Während die „Sünder“ um sie herum in zwei Hälften geteilt, enthauptet und zersägt werden, handeln die High-School-Schüler ihre Adoleszenz-Dramen aus: Wer bandelt mit wem an, wer geht zu welcher Party und so weiter. Als die ersten von ihnen ebenfalls zu Opfern des Mörders werden, der sich hinter der Maske des Pilgrims versteckt, schleicht sich die Frage nach der Identität des Mörders in das Drama mit ein. War es der Ex-Freund der Protagonistin? Ist es der aktuelle Freund?
Entlang des einfachen Whodunit-Fundaments hangelt sich „Thanksgiving“ nicht elegant, aber doch halbwegs souverän von Mord zu Mord. Einzig die dazwischen geklemmte Sozialkritik kommt als lustloser Gimmick daher, der mehr Ballast als Bereicherung ist: Die Teenager präsentieren ihre Dummheit auch gerne in den sozialen Medien und werden entsprechend auch dort mitbestraft. Als Lückenfüller taugt es allemal. Wirklich in das Grauen und das ihm zugrundeliegende Trauma einfügen, will sich das Social-Media-Gehabe aber nicht. Und subtil ist es schon gar nicht. Aber subtil war hier auch nie gefragt.