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Filmkritik
„Bibi und Tina“ ist ein Franchise, das seine Macher seit Jahrzehnten zu immer weiteren Wiederverwertungen inspiriert. Es begann in Form eines Spin-offs von „Bibi Blocksberg“ als Kinderhörspielserie in den 1990er-Jahren, wurde dann eine Zeichentrickserie, dann zu Realfilmen und schließlich zu einer Realfilm-Amazon-Serie. Letzteres Personal bevölkert nun auch dieses Reboot, das immerhin Film Nr. 5 der Abenteuer um die beiden Freundinnen darstellt. Warum es allerdings gedreht wurde, außer zu Werbezwecken für die wohl bald anstehende 2. Staffel der von Amazon produzierten Serie, erschließt sich wohl nur seinen Produzenten. Denn „Bibi und Tina – Einfach anders“ hat herzlich wenig zu erzählen; eine Story existiert eigentlich nicht. Eines Tages erleben die beiden Freundinnen, als sie sich nachts auf dem Martinshof über Gott und die Welt unterhalten, einen Meteoritenschauer. Um den Martinshof, auf dem beide die Sommerferien verbringen, abzusichern, hext Junghexe Bibi einen Schutzschirm über das Gehöft.
Doch zu dem Phänomen gesellte sich auch eine Landung von Aliens. Einer davon, ein putziges Wesen mit Riesenkopf und zwei Beinen, das in einem recht billigen Kostüm herumhüpft, ist auf der Erde gelandet und hat durch den Schutzschirm seine Blackbox verloren. Im Laufe des Films wird dieses Marsmännchen immer mal wieder im Wald oder auf den Kornfeldern auftauchen, hat aber ansonsten keine erkennbare Funktion.
Für Drama sorgt ein bedrohter Adelstitel
Außerdem erscheinen drei junge Gäste auf dem Martinshof, mit denen die Betreiberin Frau Martin ihr ländliches Unternehmen finanziert. Es sind drei eher ausgefallene Jugendliche aus dem Internat „Einfach Anders“: Silence (er spricht kaum), Disturber (sie ist aufmüpfig und unzugänglich) und Spooky (sie interessiert sich für Übernatürliches). Es dauert noch ein wenig, bevor sie sich auf dem Reiterhof einleben, beziehungsweise in die Story einbezogen werden. Denn, oh Schreck, das größte Drama des Films besteht darin, dass dem Grafen Falko von Falkenstein qua Gentest von einer mysteriösen Beamtin der Adelstitel abgesprochen wird. Falko muss samt Sohn Alexander aus seinem Schloss ausziehen und findet Unterschlupf im Martinshof, wohin ihn auch sein treuer Butler Dagobert begleitet. Später wird sich herausstellen, dass Falko Opfer einer Intrige geworden ist. Doch wer ist der neue, unflätige Schlossherr, der eine unverkennbare Ähnlichkeit zu besagter Beamtin, aber auch zu einem Kartoffelbauern und dem Schauspieler Victor Arscher (Kurt Krömer) aufweist?
Zu Besorgnis gibt die Situation für Bibi (Katharina Hirschberg), Tina (Harriet Herbig-Matten) und ihre Freunde und Verwandten in dem Film nie Anlass, und deshalb bleibt auch so etwas wie Spannung gänzlich auf der Strecke. Das fünfte Filmabenteuer der beiden Freundinnen beschreibt eine heile Reiterhof-Bilderbuchwelt, erzählt von einem Adligen, mit dem das Publikum Mitleid bekommen soll, sowie von der Freundschaft der beiden Protagonistinnen, die nicht einmal von dem Hauch eines Streits getrübt wird. So erweist sich der Film als ebenso harmlos wie substanzlos.
Die Reiterhofgäste sorgen für Konflikte
Konflikte oder Unterhaltung sollen durch das Auftauchen der drei Reiterhofgäste entstehen. Bei Spooky gelingt das halbwegs, als sie sich mit dem lokalen Jungspund Freddy auf Aliensuche begibt, mit ihm die außerirdische Blackbox knacken will und sich dabei zarte Liebesbande zwischen beiden entwickeln. Silence hat eigentlich gar nichts zu tun, malt aber sehr gut, womit er das Sprechen kompensiert. Am meisten Leinwandzeit erhält die stets schlecht gelaunte Disturber. Sie schließt sich kurzzeitig dem Tunichtgut Victor Arscher alias dem Schlossherrn alias der Beamtin alias dem Kartoffelbauern an. Bald wird die falsch verstandene Tochter einer lieblosen Mutter allerdings von Bibi und Tina wieder auf den Pfad der Tugend zurückgeholt.
Alle paar Minuten setzt es Gesangseinlagen der Beteiligten. Sie sind wie Videoclips inszeniert und geben Auskunft über die Gefühlslage der Figuren. Die Texte sind allesamt jugendfrei, und um sich einen peppigen Anstrich zu geben, meinen die Autoren den jugendlichen Figuren regelmäßig englische Phrasen und Wörter in den Mund legen zu müssen. Diese Anbiederung an eine vermeintliche Jugendsprache macht den Film jedoch nicht weniger langweilig. Nur das gewollte Overacting von Kurt Krömer und die ein oder andere humorvolle Einlage von Holger Stockhaus als Graf Falko – aufgrund seiner teilweise transsilvanischen Herkunft hält er sich für einen Vampir – sorgen zwischendurch für Heiterkeit.
Seitenhiebe auf Aluhut-Träger und Hamsterkäufe
Blass bleibt dagegen das titelgebende Darstellerduo, das zugegebenermaßen auch kaum eine Gelegenheit hat, Können zu beweisen. Der eine oder andere gelungene Seitenhieb auf Aluhut-Träger und Hamsterkäufe situiert den Film für spätere Generationen in Corona-Zeiten. Ob „Bibi und Tina – Einfach anders“ solcherlei Nachruhm allerdings beschieden sein wird, ist zu bezweifeln und Regisseur Detlev Buck wäre gut beraten, sich in Zukunft wieder anspruchsvolleren Sujets zuzuwenden.