- RegieJohan Renck
- GenreDramaAbenteuerScience Fiction
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Der von Adam Sandler gespielte Tscheche Jakub wirkt nicht gerade wie der Vorzeigeastronaut aus dem Mainstreamkino made in Hollywood. Nach großen Schritten für die Menschheit ist ihm eher nicht zumute. Jakub hat den Space-Blues. Was nicht nur mit seiner potenziell bedrohlichen Mission zu einer ominösen lilafarbenen Wolke zu tun hat, die sich der Erde nähert, sondern auch mit Beziehungsproblemen. Die haben schon vor Jakubs Weltraumtrip begonnen, der auch in dieser Hinsicht zu einer Reise ohne Wiederkehr werden könnte. Denn es kriselt zwischen ihm und seiner Ehefrau Lenka (Carey Mulligan).
Auf dem Weg Richtung Jupiter
Auf die Rolle einer Kosmonautengattin, die aufopferungsvoll Heim und Haus hütet, während ihr Mann seiner höheren Berufung folgt, hat Lenka keine Lust. Sie will Jakub zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt verlassen – auf halbem Weg zum Jupiter. Die Videopost wird jedoch von der tschechischen Weltraumbehörde abgefangen, weil ihre Botschaft die Missionsziele beeinträchtigen könnte. Denn der monatelange Flug zu dem ebenso unheimlichen wie betörenden Himmelphänomen ist auch ein Weltraumrennen mit einem südkoreanischen Raumschiff, das Jakubs Rakete dicht auf den Fersen ist.
Doch auch ohne die Nachricht von der Trennungsabsicht seiner Frau spürt Jakub, wie sich ihre Beziehung verändert. Sein Gefühl wird zunehmend zur handfesten körperlichen Erscheinung. In den Zügen von Adam Sandler zeichnen sich immer mehr Beklemmung und Angst ab. Der Kosmonaut schläft schlecht. Das Einschlafen lässt sich zwar mit Hilfe von Pillen bewerkstelligen, doch in seinen Träumen manifestieren sich ungeahnte Schrecken.
Psycho-Coaching vom Spinnen-Alien
Warum die tschechische Weltraumbehörde, vorneweg verkörpert von deren Leiterin Tuma (Isabella Rossellini), auf die gewagte Idee verfallen ist, ausgerechnet das Nervenbündel Jakub auf eine so heikle Mission zu schicken, erschließt sich in dem Film von Regisseur Johan Renck nicht unmittelbar. In der Romanvorlage des tschechisch-stämmigen US-Autors Jaroslav Kalfar ist Jakub ein Fachmann für Weltraumstaub. Die glühenden Partikel aus der psychedelischen Space-Wolke mögen durchaus ein Grund dafür sein, dass Jakub zunehmend an seinem Verstand zweifelt. Jedenfalls erlebt der Kosmonaut bald eine Begegnung der dritten Art, die sein Vertrauen in die eigenen mentalen Fähigkeiten nicht gerade stärkt. Im Innern der kargen, funktional eingerichteten Weltraumkapsel taucht nämlich ein Alien auf, ein Spinnenwesen mit acht Beinen und sechs recht empathisch dreinblickenden Äuglein. Wie es ins Innere der Kapsel vordringen konnte, ist nicht so recht einsichtig. Doch die erste Botschaft des außerirdischen Wesens lautet: „Hab keine Angst“.
Was sich in der Folge zwischen den beiden entspinnt, ist ein philosophischer Dialog über die Beschaffenheit von Raum und Zeit und die menschliche Natur, an deren Eigenheiten das fremde Wesen sehr interessiert ist – vor allem an Liebe und Freundschaft. Das lässt bisweilen an berühmte Science-Fiction-Vorlagen wie die Romane von Stanislav Lem denken oder an Kubricks „2001“. Regisseur Renck versteht es jedoch, seine inszenatorischen Ambitionen auf sympathische Weise nicht allzu hochzuhängen. „Spaceman“ ist von einer melancholisch-heiteren Seltsamkeit und originellen Verrücktheit beseelt, die ihren treffenden Ausdruck im Spinnen-Alien Hanuš findet.
Raffinierte Tour ins menschliche Seelenleben
Der Schauspieler Paul Dano leiht dem haarigen Krabbelvieh aus dem All in der Originalversion die Stimme. Kosmonaut Jakub lauscht dem Wesen beim Räsonieren über Sinn und Ursprung des Universums. Es ist Jakubs Einsamkeit, die Hanuš auch bei sich selbst erkennt, die ihn mit dem „skinny human“ verbindet, wie das Alien den Kosmonauten nennt. Bei Jakub setzt die Begegnung mit dem möglicherweise imaginären Gegenüber einen Reflexionsprozess in Gang, der ihn das eigene Zutun am Auseinanderdriften der Beziehung mit seiner Frau Lenka erkennen lässt.
Die Idee, seine Weltraummission könne zur Einbahnstraße werden, erschreckt Jakub. Er fasst den Willen, unbedingt zur Erde zurückzukehren und seine Beziehung zu retten. Doch ob ihm das angesichts der expandierenden kosmischen Wolke gelingt, von der sein neugewonnener Weltraumfreund mehr zu verstehen scheint, als er mitzuteilen bereit ist?
Die Reise ins All ist eine raffinierte Tour in das nicht minder rätselhafte Terrain des menschlichen Seelenlebens, bei der Fragen wie „Warum sehnst du dich nur dann nach deiner Partnerin, wenn sie dich verlässt“ erkundet werden. Sinnbild der ebenso komplexen wie fehleranfälligen inneren Verdrahtung des Protagonisten ist das diffizile Interieur der Weltraumkapsel. Bricht ein wichtiger Schaltkreis zusammen, droht schnell eine existenzielle Polykrise. Und außerhalb des Ichs braut sich ein gewaltiger Sturm zusammen.
Adam Sandler als verzagtem Weltraumhelden bei dieser Innenschau beizuwohnen, gerät ob seiner selbstverschuldeten Seelenqual mitunter zwar etwas ausgedehnt anstrengend. Und auch nicht jeder erzählerische Kniff der Inszenierung sitzt. Doch das Weltraummärchen ist ganz bei sich, wenn es auf ebenso originelle wie einfühlsame Weise von einer unwahrscheinlichen Freundschaft verschiedener, aber dennoch verwandter Seelen erzählt. Oder vom Missverstehen, den unüberbrückbaren Hindernissen und dem Schweigen. „The silence is the point“, heißt es an einer Stelle aus dem Mund des Fremden. Diese Stille aushalten zu lernen, ist der Beginn des eigentlichen Abenteuers, auf das sich der grüblerische Jakub einlassen muss.