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Filmkritik
Die Gewalt durchdringt in „Beautiful Beings“ den Alltag und die Träume, hinterlässt Beschädigungen in der Seele, schreibt sich auf und in die Körper hinein. Der schmächtige, pickelige 14-jährige Baldur quält sich mit hochgezogenen Schultern und geducktem Kopf durch jeden Tag, in ständiger Erwartung der nächsten Tracht Prügel, der nächsten Schikane. In der Schule wird er gemobbt, zu Hause vernachlässigt, die Mutter ist drogenabhängig und lässt ihn manchmal tagelang ohne Essen in der heruntergekommenen Wohnung zurück.
Sein Glasauge verdankt er seinem mittlerweile im Knast sitzenden Stiefvater, der mit einem Luftgewehr auf das damals vierjährige Kind zielte. Als „Balli“ von gewalttätigen Jungs mit einem verkohlten Ast brutal ins Gesicht geschlagen wird, landet er mit gebrochener Nase und schwerer Gehirnerschütterung im Krankenhaus. Sogar der lokale Fernsehsender des Küstenstädtchens berichtet darüber: als ein Fallbeispiel für die zunehmende Gewalt unter isländischen Jugendlichen.
Beim Versuch, sich die Pulsadern aufzuschneiden, wird Balli von den Freunden Addi, Konni und Siggi überrascht. Zunächst fürchtet man Schlimmes. Die drei schlagen auch mal gerne zu. Besonders Konni, der Anführer der Gruppe und „das Tier“ genannt, hat immer wieder unkontrollierte Ausraster. Mitleid mischt sich mit Verachtung, als sie den Jungen nach Hause begleiten und die verwahrlosten Lebensumstände entdecken. Zigarettenkippen und Hundekot liegen auf dem Boden, die Türen sind von Wutanfällen des Stiefvaters kaputtgeschlagen. Ein ambivalentes Verhältnis entsteht, eine zunächst eher widerwillige Adoption.
Die einzigen Ausbrüche sind die Träume
Der isländische Regisseur Guðmundur Arnar Guðmundsso zeichnet in seinem wuchtigen, von einem beachtlichen Jugendensemble getragenen Film eine von körperlicher und sexueller Gewalt gezeichnete Welt, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint. Den Begriff Milieurealismus nimmt er dabei beim Wort. Die bevorzugten Schauplätze sind schummrige oder fahl beleuchtete Innenräume und dunkle Unterführungen. Von der im isländischen Kino oft prominent ins Bild gerückten magischen nordischen Landschaft ist wenig zu sehen. Einzige Ausbrüche aus der Wirklichkeit sind Addis Träume. Aber auch diese, vorwiegend in Unschärfen gezeichnet, sind von amorphen schwarzen Gebilden bevölkert, hinter denen sich skelettartige Körper abzeichnen.
Anfangs nennen die Freunde Balli „Freak“ und „stinkendes Inzestopfer“. Fast lustlos schleppen sie ihn zu ihren kleinen Abenteuern mit; ihre Großzügigkeit könnte jederzeit in etwas Gemeines kippen. Doch irgendwann gehört er einfach dazu. Zusammen erleben sie ihre ersten Halluzinationen beim Einnehmen von Pilzen, betrinken sich und gehen spätnachts im Freibad schwimmen. Ausgerechnet Ballis als „Pennerbude“ verrufenes Zuhause wird für die Freunde zu einem Raum, in dem sie ungestört und geschützt zusammen sein können. Vor allem zwischen Balli und Addi, der als Sohn von Ananda-Marga-Anhängern der „Normalste“ in der Gruppe ist, entwickeln sich freundschaftliche Bande.
Zugespitzt auf ständige neue Eskalationen
Guðmundsson spitzt die Handlung immer wieder zu, steuert sie auf ständige neue Eskalationen und „Action“ hin, zuletzt auch in Folge einer hellseherischen Vision Addis. Die Gewaltszenen sind streckenweise nur schwer zu ertragen und extrem explizit; düster genug wäre es auch ohne sie. Der Titel des Films setzt dagegen einen programmatischen Kontrapunkt. So findet „Beautiful Beings“ vor allem im engen Zusammenhalt der Jugendlichen lichte Momente.