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Filmkritik
In den dunklen Gassen der Metropole San Fransokoyo hat sich Hiro schon einen Namen gemacht. Der 13-jährige Nerd, der die High School abgeschlossen hat, gilt als Roboter-Experte. Bei illegalen Kämpfen mit ferngesteuerten Robotern stellt er sein Geschick unter Beweis. Hiros älterer Bruder Tadashi ist davon überhaupt nicht begeistert. Er will nicht länger zusehen, wie Hiro sein Talent verkommen lässt, anstatt es für sinnvolle Zwecke einzusetzen. So führt er ihn eines Tages durch das Technologie-Labor der Uni, an der er arbeitet. Hiro ist begeistert. Es gelingt ihm, durch die Erfindung von Mini-Robotern, die sich allein durch Gedankenkraft steuern lassen, in das Forschungsprogramm aufgenommen zu werden. Doch dann geschieht ein Unglück. Bei einem Brand kommt Tadashi ums Leben. Hiro ist am Boden zerstört. Der rundliche weiße Gesundheitsroboter Baymax, den Tadashi entwickelt hat, ist das einzige, was Hiro von seinem älteren Bruder geblieben ist. Einfühlsam und auch ein wenig aufdringlich versucht Baymax, sich um Hiros Wohlbefinden zu kümmern. Doch von so viel Zuneigung ist Hiro zunächst eher genervt. Dann aber kommt Hiro einem seltsamen Mann auf die Schliche, der sich hinter einer Kabuki-Maske verbirgt und anscheinend Hiros Mini-Roboter gestohlen hat. Hiro vermutet, dass dieser Mann an Tadashis Tod Schuld hat. Mit der Hilfe von Tadashis Freunden und der von Baymax will er den Kabuki-Mann stellen. Während die Technikfreaks an geeigneten Superheldenkostümen basteln, muss auch der liebenswert-langsame Gesundheitsroboter modifiziert werden: mit einer Karate-Datenbank und einem Superheldenanzug. Dass der erzählerische Rahmen mit Kampfrobotern und maskierten Superhelden so gar nicht nach Disney klingt, ist der Vorlage geschuldet. „Baymax“ ist eine freie Adaption der Marvel-Comic-Reihe „Big Hero 6“. Nie zuvor wurde die Geschichte eines Marvel-Superheldencomics so organisch in das Disney-Universum eingefügt. Die Ecken und Kanten hat „Baymax“ bei dieser Übersetzung sicherlich verloren. Gewonnen hat er dafür ein großes Herz, das sich vor allem in den Szenen zwischen Hiro und Baymax zeigt. In diesen konzentriert sich der Film ganz auf die Empfindungen der Figuren und lässt deutlich werden, wie es Hiro geht. Sehr sensibel und gut beobachtet erzählt er dann davon, wie Hiro sich allmählich mit dem Roboter anfreundet, und wie dieser ihm Halt gibt, auch wenn er ihn vor allem als Patienten betrachtet. Noch dazu als einen, der sich mitten in der Pubertät befindet. Thematisch bewegt sich der Film damit auf bekanntem Terrain. Geschichten über den Umgang mit unverarbeiteten Verlusterfahrungen und Trauer sind im Kinder-, Jugend- und Familienkino momentan durchaus in Mode. Mit Tim Burtons Stop-Motion-Version von „Frankenweenie“ (fd 41 493) über einen jungen Bastler und seinen untoten Hund kam ein besonders eindrucksvoller Vertreter dieses Trends sogar aus demselben Studio. Obwohl „Baymax“ insbesondere in der zweiten Hälfte den ausgetretenen dramaturgischen Mustern von Superheldenfilmen folgt und Hiro & Baymax bisweilen auch zugunsten anderer Figuren aus dem Blick verliert, findet der Film gegen Ende zum emotionalen Kern seiner Geschichte zurück. Dieser Disney-Touch trägt den brillant animierten Film, der auch sonst mutig versucht, Brücken zu schlagen. Führte „Ralph reicht’s“ (fd 41 442) noch in die Welt der Computerspiele, lässt „Baymax“ neben seiner Marvel-Abkunft in Handlung wie Gestaltung auch ästhetische Einflüsse japanischer Zeichentrickfilme erkennen. Hiros Figurendesign mit den betont großen Augen und den wilden, strähnigen Haaren machen den jungen Protagonisten zur CGI-Variante eines Anime-Helden.