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Filmplakat von Bad Luck Banging or Loony Porn

Bad Luck Banging or Loony Porn

106 min | Komödie
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Ein Sex-Tape gelangt ins Internet und geht dort viral. Es zeigt eine Frau und einen Mann, die beide Masken tragen, beim Geschlechtsakt. Doch die Frau in dem Video lässt sich als Emi (Katia Pascariu) identifizieren - eine Lehrerin. Emis Ruf und Karriere geraten in Bedrängnis, als die Eltern ihrer Schüler ihren augenblicklichen Rücktritt fordern. Doch die Lehrerin weigert sich, dem öffentlichen Druck nachzugeben, nur weil die anderen ihre Vorbild-Funktion anzweifeln.

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Filmkritik

Zügig marschiert die Lehrerin Emi (Katia Pascariu) durch die volle Innenstadt von Bukarest. Zwischen alltäglichen Besorgungen führt sie aufgeregte Telefonate, liefert sich ein Wortgefecht mit einem SUV-Fahrer, kauft sich eine Beruhigungspille in der Apotheke und versucht schließlich bei einer Tasse Cappuccino etwas herunterzukommen. Was genau die Protagonistin antreibt, wurde zuvor in pornografischer Ausführlichkeit präsentiert: Ein versautes Sex-Video mit Emi, das irgendwie in die Öffentlichkeit geraten ist und mittlerweile auch an ihrer Schule die Runde macht. Dieses exaltierte, mit einer beschwingt folkloristischen Coverversion von Lale Andersens Soldatenlied „Lili Marleen“ untermalte Video gibt den Ton für Radu Judes ebenso provokante wie wütende Satire vor.

Die Skizze eines populären Films

Zunächst wirkt „Bad Luck Banging or Loony Porn“ verhältnismäßig ruhig und vor allem wenig an seiner Hauptfigur interessiert. Immer wieder lässt sich die Kamera bei Emis Streifzügen ablenken. Mal verharrt sie bei einer Kirche oder einem anzüglichen Werbeplakat, mal bei einem protzigen Jeep mit grotesk großen Reifen oder bei bröckelnden Häuserfassaden. Die Beobachtungen kreisen um Themen wie Sex, Religion, Kapitalismus und Politik, deuten dabei lose Verbindungen an, ohne vom Korsett einer herkömmlichen Handlung gebändigt zu werden. Im Vorspann wurde man bereits vorgewarnt, dass es lediglich eine „Skizze für einen populären Film“ zu sehen gäbe.

Es ist mehr als nur eine Randnotiz, dass „Bad Luck Banging or Loony Porn“ mitten in der Corona-Pandemie entstanden ist. Das Skizzenhafte mag durchaus damit zu tun haben, dass der Film fertig werden sollte, solange er noch aktuell ist. Auf der Straße sind überall Menschen mit Masken zu sehen; es ist überdies eine aggressive Grundstimmung zu spüren. Die Menschen brüllen einander im Straßenverkehr oder an der Supermarktkasse schnell Obszönitäten entgegen. Nicht selten spielt bei diesen oft sehr komischen Auseinandersetzungen der Hochmut Bessergestellter eine Rolle. Eher facettenreich als holzschnittartig deutet Radu Jude die Gräben einer ebenso gespaltenen wie zutiefst gereizten Gesellschaft an.

Nach einem Drittel folgt ein Bruch, und die Handlung wird von einer alphabetisch geordneten Materialsammlung unterbrochen. Historische Exkurse über die faschistische Vergangenheit Rumäniens stehen neben Anzüglichkeiten, statistische Erhebungen über Vergewaltigungen neben einem Amateur-Video, in dem ein Busfahrer mit einem Besenstiel auf eine Roma-Frau einschlägt. Einiges von diesem Wissen wird später nochmal aufgegriffen, etwa die Information, dass „Blow Job“ das am häufigsten gegoogelte Wort des Landes ist.

Bemerkenswert an diesem essayistischen Mittelteil ist, wie weitschweifend der Blick, wie atemlos das Tempo und wie hart die Übergänge sind. Nicht selten fallen Komisches und Schreckliches ineinander. Durch die zahlreich aufgelisteten Verfehlungen von Politik und Kirche entsteht überdies ein sehr unrühmliches Bild von Rumänien. Nicht zufällig ist „Empathie“ das am zweithäufigsten gegoogelte Wort; jene Eigenschaft, an der es den meisten Figuren hier mangelt.

Obrigkeit und Elite sollen vorgeführt werden

Der Film verliert allerdings einiges von seiner elementaren Reibung im Schlussteil, einer Art Tribunal, bei dem sich Emi vor den wütenden Eltern ihrer Schüler verantworten muss. Jude inszeniert diese Konfrontation als Posse, die mit persönlichen Angriffen beginnt und schnell ins Grundsätzliche kippt. Eine Menge weltanschaulicher Abgründe tun sich dabei auf. Die Eltern gehören überwiegend einem gut situierten Bürgertum oder staatlichen Institutionen an; sie legen Wert auf Vaterlandsliebe und machen aus ihrem Antisemitismus und ihrer Homophobie keinen Hehl.

Obwohl sich während dieser Verhörsituation unter ständigen Zwischenrufen auch tiefgreifende Diskussionen darüber entwickeln, was etwa eine gute Pädagogik ausmacht oder was eine anständige Frau im Bett zu tun oder lassen hat, fühlt sich die komödiantische Zuspitzung doch etwas statisch und selbstgenügsam an. Nachdem der Film zuvor durch die Stadt flaniert ist und unterschiedlichstes Material gesammelt habe, wirkt er im letzten Drittel nicht mehr offen und suchend, sondern vor allem eher darauf fixiert, Obrigkeit und Elite mit plumpen Mitteln vorzuführen.

Radu Jude scheint hierin seiner Sehnsucht nach einer Katharsis nachzugeben, auf die man in der Wirklichkeit vergeblich wartet. Wenn „Bad Luck Banging or Loony Porn“ sich im Abspann dann auch noch selbst als Witz bezeichnet, wirkt das Scherzen endgültig wie ein letzter, hilfloser Versuch, auf das umliegende Elend zu reagieren.

Erschienen auf filmdienst.deBad Luck Banging or Loony PornVon: Michael Kienzl (24.1.2022)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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