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Filmkritik
Das Radio erzählt soeben von drei zeitgleich durchgeführten Banküberfällen, als Karin Rubner ihr Elternhaus verlässt. „Ausgerechnet Berlin“, sagt die Mutter noch, „Pass‘ auf dich auf!“, rät der Vater. In der nächsten Einstellung rast ein BMW-Sportwagen eine Landstraße entlang, auf der Tonspur hört man Fetzen von „Kick out the Jams!“ von MC5. Dann steht Karin zwei coolen Jungs gegenüber, die ihr etwas über die Stadtguerilla erzählen wollen. Karin guckt den Cooleren der Beiden an, grinst und sagt: „Du bist der Baader!“ Er antwortet: „Ich bin der Baader!“ Darauf Karin: „Wow!“ Fünf Jahre ist es her, dass Heinrich Breloers mit historistischem Anspruch angetretene Doku-Fiction „Todesspiel“ (fd 32 846) versuchte, mit der staatsaffirmativen Darstellung der Schleyer-Entführung das letzte Wort zum RAF-Terrorismus zu sprechen. Seitdem haben sich gleich mehere Kinofilme dieser Thematik aus wechselnden Perspektiven differenziert zugewendet: von „Die Stille nach dem Schuss“ (fd 34 450) über „Die innere Sicherheit“ (fd 34 691) und „Black Box BRD“ (fd 34 861) bis zu „Starbuck Holger Meins“ (fd 35 425). Waren die Filme der 70er- und 80er-Jahre zumeist noch um eigentümlich periphere Opferkonstellationen herum organisiert („Messer im Kopf“, fd 20 988), beschäftigten sich neuere Filme mit dem Nachwirken der RAF. Christopher Roth („Loosers!“, fd 31 224) hat sich mit „Baader“ mitten ins Zentrum der ersten Generation der RAF begeben – und erinnert mit seiner popkulturellen Sensibilität an Klaus Lemkes fast vergessenen (Fernseh-)Film „Brandstifter“ (1969). Auf das Interessanteste ist „Baader“ zugleich auch eine Art Prequel zu Hauffs „Stammheim“ (fd 25 469), mit dessen dokumentarischen Passagen Roths Film eine spannende Beziehung pflegt. Man sieht: Ein Film über Baader, Ensslin und Meinhof begibt sich in jeder Hinsicht auf gut beackertes Terrain. Über Baader & Co. kursiert sowohl in der RAF-Literatur als auch in der Popkultur eine Reihe von Anekdoten, die gern kolportiert werden und die sich letztlich stets aus denselben zwei, drei Quellen speisen: Jilian Beckers „Hitlers Children?“ und Stefan Austs „Der Baader-Meinhof-Komplex“. Hier ist Baader der Vorstadt-Strizzi, der Comic lesende Autoknacker, der kleinkriminelle Macho, der Bohemien, der „1968“ am Rande der Bewegung erlebte und von dem als „Mann der Tat“ eine eigentümliche Faszination auf die Intellektuellen der Gruppe ausging. Das Intelligente am Film „Baader“ liegt nun darin, dass Roth – im krassen Gegensatz zu all den hier beheimateten Beckmessern und Historisten, die wissen, wie es wirklich war – affirmativ auf die bekannten Bilder- und den Anekdotenfundus aufsattelt und diesen gewissermaßen in eine einzige Rückkopplung verwandelt: die Geschichte, der historische Kontext, die Anekdoten und auch die Dialoge sind größtenteils bekannt. Vor diesem mächtigen PopArt-Hintergrund setzt Roth einige entscheidende fiktive Akzente, die einerseits auf die Essenz der Geschichte zielen (wie Jana Pallaskes „Wow!“ bei der Begegnung mit Baader), andererseits dem Allzubekannten ein spielerisches Moment verleihen, das allerdings nicht in Richtung einer vermeintlich „alternativen“ Authentizität weist, sondern vielmehr auf einen „alternativen“ Bilderfundus: Plattencover, Kriminalfilme etc. Man kann sagen: Roth rekonstruiert den Pop-Mythos „Baader“ mit den Mitteln des Pop. Trotzdem – und hierin liegt die Leistung von „Baader – gelingt dem Film eine melancholische Inversion, die Momente des Ennui hinter der frühen RAF sehr präzise zu beschreiben vermag. Indem Roth die moralische Dimension der Geschichte meidet, bekommen die Aktionen der RAF selbst ein spielerisches, ja kindliches Moment und werden zu einem (mörderischen) Räuber & Gendarm-Spiel, das anfangs auch von den Strafverfolgungsbehörden mitgespielt wird: „Allein gestern habe ich sechsmal Baader verhaftet“, sagt ein Polizist zu Baader. Dieses Spiel buchstabiert zugleich ein historisches Selbstmissverständnis aus: Wenn sich Krone, Leiter des Bundeskriminalamtes BKA, nachts mit Baader trifft, dann wähnt man sich in einem Film von Jean-Pierre Melville oder auch in Michael Manns „Heat“ (fd 31 814), und vielleicht wähnt sich ja auch Baader in einem Melville-Film. Die passende Film-Apotheose gewährt Roth dem Popstar Baader, wenn er sagt: „Stammheim ist ein anderer Film.“ Diese radikale Fiktionalisierung, die man dem Film vorgehalten hat, ist als Problematisierung im Film durchaus enthalten, wenn Meinhof dem Schriftsteller Henry Solidarität abfordert, weil der schließlich geschrieben habe: Den Worten müssen Taten folgen! Henry antwortet hilflos: „Das ist Fiktion! Das sagt die Hauptfigur in meinem Roman, und der endet tragisch.“