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Filmkritik
Die Haarschneidemaschine zieht eine tiefe Furche in die Afro-Frisur von Koffi (Marc Zinga). Der junge Kongolese bereitet sich vor – auf einen Besuch seiner Heimat. Seine Freundin Alice (Lucie Debay) versteht nicht wirklich, warum er als erwachsener Mann so viel Angst vor der eigenen Familie hat, gibt aber ihr Bestes, um nicht im Weg zu stehen, wenn Koffi Swahili paukt, das gemeinsame Geld für die Aussteuer zusammengespart und sich, in der Heimat angekommen „Zabolo“ nennen lassen muss, weil eine Pigmentstörung einen Teil seiner Wange allzu dunkel erscheinen lässt.
Eigentlich möchte Alice die Familie Musoso kennenlernen, bevor der erwartete Nachwuchs zur Welt kommt. Das Paar hat sich in Europa ein eigenes Leben aufgebaut. Doch statt Interesse an Alice oder dem Leben in Belgien zu zeigen, fragt der Onkel zur Begrüßung, warum Koffi seine Haare nicht geschnitten habe. Eine traditionelle Tonsur wäre ja wohl das Mindeste gewesen. Seine Mutter Mujila (Yves-Marina Gnahoua) empfängt Koffi und Alice entsprechend nur mit der allernötigsten Gastfreundschaft. Die Schwestern geben sich weniger Mühe, quittieren die Annäherungsversuche der hochschwangeren Alice mit Überheblichkeit und hetzen dem Bruder, nachdem er endlich einmal die jüngste Nichte im Arm gehalten hat, den Priester auf den Hals. Denn ein paar Blutstropfen aus seiner Nase werden spontan als Fluch interpretiert, den er über das Baby gebracht habe und für den er nun mit einer auf seinen Kopf gesteckten Bedeckung bestraft werden muss.
Verworren, kompliziert & kaum zu entwirren
Die Zeremonie, die westliche Zuschauer ähnlich wie Alice irgendwo zwischen Komik und Grauen wahrnehmen, spitzt den Konflikt zu, den der Film nicht nur entlang der Geschichte des Paars nachzeichnet. Auch Koffis Schwester Tshala (Eliane Umuhire) steht mit ihrem modernen Lebensstil im Clinch mit der traditionsbewussten Lebensweise der Familie in der Demokratischen Republik Kongo. Ihr modernes Refugium liegt jedoch nicht in Europa, sondern in Südafrika. Wie genau das komplizierte Beziehungsgeflecht der Familie eben dort angekommen ist, wo es bei Koffis Ankunft steht, ergründet der Film nicht. Es ist verworren, kompliziert und, so viel ist nach dem Besuch klar, nicht einfach zu entwirren.
„Omen“ verhandelt die Konflikte zwischen Tradition und Moderne, Folklore und Wissenschaft nicht innerhalb eines familiären Sozialdramas, sondern verlagert sie in mystische, märchenhafte, assoziative und pseudo-dokumentarische Exkurse. Nicht nur der Dorfpriester taucht wieder und wieder auf, um Sünden wie Koffis Nasenbluten zu bestrafen und Geschlechtskrankheiten zu heilen. Auch Hexen, Geister und Erdmütter dürfen assoziativ und figurativ oder tatsächlich in die Handlung eingreifen. Wo das Mystische freie Hand hat, entwickelt der Film einen erstaunlichen Drive. In einer Hänsel-und-Gretel-Sequenz etwa, die mit Zuckerwatte-Bäumen und pinkem Dunst vom Verlust einer Schwester erzählt, mit dem der junge Paco (Marcel Otete Kabeya) noch heute leben muss. Von seinem Leben erzählt der Film in einer eigenen Episode, die sich zwischen den tatsächlichen Härten des Straßenlebens und der bunt schillernden Ekstase des Wrestling-Sports, also nicht nur zwischen den Genres, sondern auch zwischen einer harschen Realität und ihrer kitschigen Überhöhung platziert.
Mit einem ganz eigenen Groove
„Omen“ ist voll von derartigen Ghost-Notes, voll von Szenen, Sequenzen und Episoden, die zwischen den Zeilen stehen. Ein gewöhnlicher Morgen bei Tshala wird vom Hausbesuch eines aufgedonnerten Vertreter-Trios unterbrochen, die ihr erst eine Probe ihrer Hautlotion verkaufen wollen und, als der erste Versuch scheitert, spontan das perfekte Baby (sieben Monate alt, nicht mehr am Zahnen und bereits im intakten Schlafrhythmus angekommen) anbieten, bis die zugeschlagene Tür ihrer ungefragt in den Film hereinplatzenden Performance ein Ende setzt.
Der in Belgien lebende kongolesische Rapper und Schauspieler Baloji Tshiani setzt in seinem Regiedebüt mit diesen Miniaturen die ästhetische Zugkraft des Films frei; in eigensinnigen Farbschemen, dem schillernden Kostümdesign und einem ganz eigenen Groove, den sich die Inszenierung zu eigen macht. Viele der ebenso idiosynkratischen wie energetischen Zwischenschläge verhallen aber mehr oder wenig im Gesamtgefüge des Films, der sich sukzessive auf vier Episoden ausweitet, die der assoziativen Erzählung wenig Chance zur Zuspitzung lassen. Stattdessen kehrt „Omen“ wieder und wieder zur Universalität seiner Topoi zurück, zieht Kreise um Entfremdung, Erlösung und Vergebung, greift die Geschichte des Kongo mit auf, findet überstylte Bilder der Mythen und dokumentarische Aufnahmen der Alltäglichkeit. Doch in der Breite des Films, die weniger das Ergebnis inszenatorischer Ambition denn allzu großer Nonchalance ist, gehen Farbe, Form und Ekstase allmählich verloren. Doch dort, wo „Omen“ zu sich selbst findet, sprüht es Funken.