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Filmkritik
Adventure Racing ist ein Sport der Leidensfähigkeit. Auf dem Fahrrad, im Schlauchboot und zu Fuß quälen sich die Teilnehmer:innen über die oft mehrere hundert Kilometer lange Rennstrecken, durch Dschungel, über Berge, Gewässer und Moore. Die dazugehörigen Routen wählen sie selbst. Michael Light (Mark Wahlberg) ist der wohl erfolgreichste Adventure-Racer, der nie einen Weltmeistertitel erringen konnte. Ein Mann, der auch nach einer „kurze Runde“ Joggen mit blutgetränkten Socken und einem Lächeln auf dem Gesicht nach Hause kommt. Aber eben auch ein Mann, der es trotz seiner enormen Athletik und Leidensfähigkeit nicht schafft, „seinen Weg zu finden“ – weder im Sport noch im Alltagsleben.
Medial veredelte Selbstgeißelung
Verbissen arbeitet der Immobilienmakler daran, doch noch einen großen Titel zu erringen und sich damit seinen Platz im Kreis der Legenden des Extremsports zu verdienen. Das Video aus Michaels letzten Rennen – ein viraler Hit im Internet – zeigt ihn allerdings nicht als Gewinner, sondern bis zu den Knien im Flussbett eingesunken. Teamkollege Leo (Simu Liu) filmt ihn und vergisst dabei nicht darauf hinzuweisen, dass es Michaels Idee war, entgegen der Ratschläge seines Teams gegen die Strömung anzupaddeln und im Schlamm zu versinken. Überhaupt erscheint das Erdulden von Schmerzen auf und neben der Strecke oft weniger als große Tugend denn als eine auf ein Endprodukt und die dazugehörige Verwertungslogik zugeschnittene Form der Selbstgeißelung: ein Video von der eigenen Qual (oder eben auch: vom Versagen des ungeliebten Kapitäns) für die eigene Instagram-Reichweite, ein Foto vom Material für die Sponsoren, eine Trophäe für die Vitrine.
Natürlich kann Michael auch die bittere Niederlage des letzten Rennens nicht davon abbringen, ein weiteres Mal einem Traum hinterherzujagen, der außerhalb der egozentrischen Welt des Extremsports keinerlei Bedeutung hat. Für seinen wohl letzten Anlauf rekrutiert Michael noch einmal ein Team: die Extremkettlerin Olivia (Nathalie Emmanuel), den erfahrenen Navigator Chik (Ali Suliman) und, um die Sponsoren wieder an Bord zu holen, den ehemaligen Teamkollegen und Influencer Leo, der Michaels größte Niederlage zum Internetphänomen adelte.
Geändert hat sich wenig, auch wenn Michael sich nun dem Team unterzuordnen weiß. Das auf fünf Tage angesetzte, über eine Strecke von 700 Kilometer führende Rennen durch die Dominikanische Republik ist die übliche, von Selfies und Go-Pro-Aufnahmen begleitete Trophäen-Jagd. Als solche ist sie auch exzellent inszeniert. Das Adventure Racing macht sich gut als Abenteuerfilm. Von Digitalanzeigen begleitet kämpft sich die Crew von einer schwierigen Etappe zur nächsten, hangelt sich an Stahlseilen über Abgründen, hievt Mountainbikes steile Felswände hinauf und bahnt sich einen Weg durch pittoreske Dschungellandschaften.
Ein Hund sucht Hilfe
Während Michael und sein Mitstreiter das tun, was Extremsportler eben so machen – und keiner könnte überambitionierte, ego-getriebene athletische Quälerei besser darstellen als Mark Wahlberg –, folgt der Film nicht nur ihrem Weg durch die unwegsame, aber wunderschöne Landschaft der Dominikanischen Republik, sondern immer wieder auch den Spuren eines Straßenhundes. Arthur, wie er später getauft werden wird, schlägt sich in den Armenvierteln von Santo Domingo durch und folgt schließlich, schwer verletzt und ausgehungert, Michaels Rennteam auf ihrem Weg durch die Wildnis. Als das Team die erste Rast einlegt, nimmt er neben dem Kapitän des Teams Platz. Er bettelt nicht, er wartet schlicht, ob Michael vielleicht einen Happen mit ihm teilt.
Wahlberg und den Hundedarsteller Ukai verbindet genau jene Chemie, die es braucht, um den Geist einer schicksalhaften und artübergreifenden Freundschaft zu behaupten. Dafür macht der Film aus dem schwedischen Extremsportler Mikael Lindnord, auf dessen Geschichte der Film beruht, den US-Amerikaner Michael Light, verlegt das Rennen von Ecuador in die Dominikanische Republik und verwandelt eine etwas prosaische Geschichte in einen dramaturgisch gestrafften, melodramatischen Abenteuerfilm.
Was jedoch bleibt und von Regisseur Simon Cellan Jones so konsequent wie gekonnt inszeniert wird, ist das rührselige Pathos der wahren Geschichte. Der kleine Mischling Arthur kämpft nur nicht um das eigene Überleben. Er weist den Athleten nebenbei vielmehr auch noch den Weg. Sein Durchhaltevermögen überschreibt sukzessive die hedonistische Quälerei des Extremsports. Statt leichter Übelkeit, einer kaputten Patellasehne und anderer Ausprägungen der hedonistischen Selbstkasteiung dringt jetzt ein wahrhaftiger Schmerz in den Film. Der Schmerz einer tiefen Fleischwunde, in der sich bereits die Maden eingenistet haben, der Schmerz eines Überlebenskampfes, den der Hund allein nicht mehr gewinnen kann. Jene Art von Schmerz, die Geschöpfe jenseits der Zivilisation erdulden. Bald begleitet nicht der Hund die Menschen, sondern die Menschen den Hund. Die dazugehörigen Affekte schlagen im Film ein wie ein Hammer auf den Amboss. Egozentrik, Poserei und sportlicher Ehrgeiz werden gleichermaßen zerschlagen. Es bleibt ein Team, das um das Leben eines kleinen Mischlings kämpft.
Tränenreiches, großes Kino
„Arthur der Große“ schildert das nicht subtil und feingeistig, sondern melodramatisch und pathetisch, mit einer Konsequenz, an die sich das moderne Blockbusterkino schon lange nicht mehr heranwagt. Das ist larmoyant, tränenreich und kompromisslos, aber eben auch großes Kino.