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Filmkritik
Den Berufsalltag seiner Titelheldin (Birgit Minichmayr) inszeniert „Andrea lässt sich scheiden“ wie einen Sketch. An einer Landstraße im hügelig beschaulichen Nichts von Niederösterreich ist die Dorfpolizistin mit ihrem jüngeren Kollegen Georg (Thomas Schubert) auf der Jagd nach Rasern. Fast regungslos starren die beiden minutenlang auf die leere Straße. Als irgendwann ein Bauer zu schnell zur Geburt eines Kalbes eilt, offenbart sich das nächste Dilemma das Dorflebens. Weil hier jeder jeden kennt, hofft der Raser auf Verständnis, was ihm Andrea jedoch mit förmlicher Beamtensprache konsequent verweigert.
Kabarettist und Schauspieler Josef Hader nutzt die Eröffnungsszene seiner zweiten Regiearbeit nicht nur als komische Nummer, sondern auch, um seinen Schauplatz zu etablieren. Und gleich noch ein weiteres, für den Film zentrales Motiv wird hier eingeführt. Georg jammert nämlich rum, wen er für seinen 30. Geburtstag alles einladen muss, wie viel wohl jeder der Gäste trinken wird und mit welchem Essen er in so großer Runde am billigsten davonkommt. Was er will, zählt dabei weniger als das, was von ihm erwartet wird.
Vorm Karrieresprung nach St. Pölten
Andrea ist dagegen frei von solchem Pflichtgefühl. Ihr Antrieb ist Ehrgeiz und ihr Karrieresprung zur Kripo in St. Pölten steht kurz bevor. Die Landeshauptstadt ist zwar immer noch recht beschaulich, aber für die Dorfbewohner wirkt ihre Größe schon einschüchternd. Stellvertretend für alles, was Andrea an ihrer Heimat nicht vermissen wird, steht ihr Ex-Mann Andy (Thomas Stipsits). Natürlich ist auch er bei Georgs Geburtstagsparty, und Hader widmet sich erst eine ganze Weile Andreas Versuchen, ihn zu meiden, bevor er verrät, wie die beiden zueinanderstehen.
Dass Hader seinen Film offensiv banal betitelt, mag auch damit zu tun haben, dass eine Scheidung auf dem Land wegen mangelnder Alternativen schwerer sein dürfte und mehr Entschiedenheit erfordert. Wie entschlossen Andrea für ihren Traum kämpft, offenbart sich, als sie den betrunkenen Andy aus Versehen mit ihrem Auto totfährt und anschließend Fahrerflucht begeht. Doch dann glaubt der gutmütig trottelige Religionslehrer Franz (Josef Hader) den tödlichen Unfall verursacht zu haben. Und man fragt sich, wie lange Andrea mitanschauen kann, wie sich der schuldbeladene und bald wieder rückfällige Alkoholiker zugrunde richtet.
Mit Sarkasmus gewahrte Fassade
Birgit Minichmayr verleiht ihrer Andrea einen immer etwas genervt wirkenden Gesichtsausdruck. Die Monotonie des Provinzlebens scheint dort ebenso ihre Spuren hinterlassen zu haben wie die professionelle Unnahbarkeit des Polizeiberufs. Ob sie ihrem überfürsorglichen Vater (Branko Samarovski) erklärt, dass sie keine vierzehn mehr ist, oder auf eine plumpe Anmache mit einem genüsslich verschütteten Bier antwortet, stets versucht sie sich nicht anmerken zu lassen, was sie wirklich fühlt. Das Bemerkenswerte an Minichmayrs Spiel bleibt, dass es auf keinen melodramatischen Ausbruch hinarbeitet, sondern nur vereinzelte Risse in der mit trockenem Sarkasmus gewahrten Fassade zeigt.
Zum Teil steckt in dieser Zurückgenommenheit auch ein Problem für den Film, der gerade die inneren Entwicklungen seiner Figuren mehr andeutet als ausformuliert. So sind die Begegnungen zwischen der von Gewissensbissen geplagten Andrea und dem durch sein falsches Geständnis immer befreiteren Franz zwar meist lustig, aber so recht finden die beiden dabei nicht zueinander. Weil die Handlung immer nur halb dramatisiert ist und die Konfrontationen zwischen den Figuren oft umschifft werden, fehlt es der tragikomischen Schuld-und-Sühne-Geschichte auf Dauer an Entwicklung.
Zwischen Sehnsüchten und Lächerlichkeit
Allerdings bleibt dem Regisseur dadurch mehr Zeit, seine Stärken auszuspielen. Eine davon ist es, seinen Schauspielern den ihnen gebührenden Raum zu geben. Hader, der selbst in der niederösterreichischen Provinz aufgewachsen ist, nimmt seine Figuren mit ihren Sehnsüchten und Ängsten ernst, unterschlägt aber auch nicht, wenn sie sich lächerlich benehmen. Als besonders geeignet erweist sich dafür eine Disco, in der die Heilsversprechen der Schlagermusik in direktem Kontrast zu den gescheiterten Existenzen steht, die dort verkehren. Unter den vielen einprägsamen Nebenrollen des Films darf dort auch Maria Hofstätter wieder eine exaltierte Krawallschachtel geben, die sich ihr kurzes Glück im bunten Scheinwerferlicht nicht so leicht nehmen lässt.
Man merkt „Andrea lässt sich scheiden“ die Kenntnis seines Milieus an und Hader beweist ein gutes Händchen dabei, solche genauen Beobachtungen ins Komische kippen zu lassen. Immer wieder ist die ohnehin schon mitgenommene Andrea den zum guten Ton gehörenden Beileidsbekundungen ausgesetzt, die sich durch die Enge ihrer Heimat schnell häufen. Und wenn ihr einmal kondoliert wird, nachdem sie sich gerade in einen Vorgarten übergeben hat, beweist der Film unter anderem sein gutes Timing.